Otto Schily geht zur SPD

Als Endpunkt einer lange gewachsenen Entfremdung will der grüne Bundestagsabgeordnete für die SPD in den Ring / Parteigremien nicht informiert  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen Otto Schily wird die Partei verlassen und sich der SPD anschließen. Das bestätigte gestern die Vorstandssprecherin Ruth Hammerbacher nach einem Gespräch mit Schily. Der Abgeordnete, der vorab weder Partei- noch Fraktionsvorstand informierte, will zu den Gründen für seinen Schritt erst am Donnerstag Stellung nehmen. Nach vorliegenden Informationen soll Schily für die Bundestagswahl Ende 1990 als Direktkandidat der SPD im Wahlkreis München-Land antreten.

Der Parteiaustritt kam für die Grünen völlig überraschend, auch wenn Spannungen unübersehbar waren. Selbst namhafte Mitglieder der realpolitischen Strömung waren von den Überlegungen Schilys nicht informiert. Als letzter Anlaß für den Übertritt wird allgemein der Beschluß der Landesversammlung der NRW-Grünen zur Rotation angesehen, der Schily eine dritte Kandidatur für den Bundestag verwehrt.

Vorstandssprecherin Ruth Hammerbacher, die ebenfalls realpolitisch orientiert ist, sprach von einem „großen politischen Verlust“ für die Partei. Sie machte das politische Klima in der Partei mit einer verbreiteten „Prominentenangst“ für Schilys Schritt verantwortlich, den sie aber gleichzeitig als „politische Kurzschlußhandlung“ bewertete.

Der Parteivorständler Ralf Fücks nannte es „ätzend“, daß die Partei von Schily nicht direkt informiert wurde. Er bedauerte den Schritt, äußerte aber zugleich „Entrüstung“ über den beabsichtigten Eintritt in die SPD. Die Trennung sei das Ergebnis einer „längeren Entfremdung“, wobei der NRW -Beschluß wohl eine „Torschlußpanik“ ausgelöst habe. Er warf Schily in diesem Zusammenhang vor, auf das Bundestagsmandat „fixiert“ zu sein, anstatt andere Mitwirkungsmöglichkeiten in der Partei wahrzunehmen. Fücks rechnet nicht mit Stimmenverlusten durch den Austritt Schilys; die Partei sei „vielgliedrig genug, um das zu verkraften“.

Die Fraktionssprecherin Antje Vollmer wertete Schilys Schritt ebenfalls als einen Verlust. Dennoch könnten die Grünen in einer Fortsetzung auf Seite 2

Zeit, in der alle Zeichen auf Erneuerung stünden, nicht auf das Erneuerungsprinzip der Rotation verzichten. Das Fraktionsvorstandsmitglied Imma Hillerich forderte Kon

sequenzen und sprach sich indirekt für einen sofortigen Fraktionsausschluß Schilys aus. Der zum linken Forum gehörende Bundestagsabgeordnete Ludger Volmer bewertete Schilys Austritt als „längst überfälligen Schritt“. Schily habe nie zu den Grünen gepaßt. Der Partei wäre viel erspart geblieben, wenn Schily diesen Schritt schon vor zwei Jahren vollzogen hätte.

Otto Schily, der vor allem durch seine unablässigen Aufklärungsversuche der Flick-Bestechungsaffäre bundesweite Bekanntheit erlangte, prägte auch das rechtspolitsche Profil der Grünen. Er vertrat ebenso vehement eine Orientierung der Partei auf ein Bündnis mit der SPD wie die Ablehnung radikalökologischer und ökosozialistischer Po

sitionen; er sprach sich für die Einbindung der Bundesrepublik in die Nato aus und schloß in der Deutschlandpolitik eine Wiedervereinigung nicht aus. Seit geraumer Zeit aber spielte er in der innerparteilichen Diskussion nur noch eine unbedeutende Rolle, auch in der Bundestagsfraktion waren Anzeichen für seine Resignation nicht zu übersehen.

Nach vorliegenden Informationen habe der südbayerische SPD -Vorsitzende Peter Glotz Schily zum Übertritt bewogen. Angeblich sei ursprünglich ein demonstrativer Austritt mehrerer realpolitischer Vertreter im Gespräch gewesen. Glotz war gestern nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen. Im Wahlkreis München-Land hält gegenwärtig die CSU eine absolute Mehr

heit, die SPD erhielt bei der letzten Bundestagswahl 27 Prozent. Ob Schily eine Absicherung über die Landesliste erhält, ist offen.