Berufsverbots-Konfusion

■ Niedersachsen: Widersprüchliche Gerichtsurteile in der vorletzten Schnüffelbastion

In Niedersachsen ist erneut eine Lehrerin wegen ihrer Mitgliedschaft in der DKP aus dem Schuldienst entlassen worden. Der 2. Senat des Niedersächsischen Disziplinarhofes in Lüneburg wertete am Dienstag die DKP-Zugehörigkeit einer 40jährigen Studienrätin und ihre Kanditatur bei

den Landtagswahlen 1982 und 1986 für die Partei als ein schweres Dienstvergehen. Das bewußte Eintreten der Lehrerin für die Partei sei eine „hoch anzusiedelnde und schuldhafte Pflichtverletzung“.

Erst im Juli hatte ein anderer Senat des Disziplinarhofes eine Lehrerin trotz ihrer DKP-Zugehörigkeit im Schuldienst belassen. Daher hatten Prozeßbeobachter am Dienstag damit gerechnet, daß das Gericht ähnlich entscheiden würde, um damit die Anwendung des „Radikalenerlasses“ auslaufen zu lassen.

Das niedersächsische Innenministerium sieht derzeit keine Veranlassung, von der Regelanfrage über die Verfassungstreue von Beamtenanwärtern abzugehen. Neue Ideen zu diesem Thema müßten „erst von den Regierungsparteien besprochen werden“, sagte der Sprecher. Am Dienstag hatte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Martin Hildebrandt, die Abschaffung

des „Radikalenerlasses“ vorgeschlagen.

Der 1972 gemeinsam von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Bundesländer beschlossene sogenannte Radikalenerlaß wird nur noch von Bayern und Niedersachsen angewendet.

Wie aus dem Verfassungsschutzbericht 1988 hervorgeht, sind in Niedersachsen von 1972 bis Ende 1988 insgesamt 168.677 Anfragen vom Verfassungsschutz bearbeitet worden. In 721 Fällen wurden Erkenntnisse mitgeteilt, worauf die Einstellungsbehörden 141 Bewerber ablehnten. 86 Bewerber legten dagegen Widerspruch ein, 15 bekamen Recht.

62 Bedienstete mußten nach Angaben des Verfassungsschutzberichts nach teilweise langwierigen Gerichtsverfahren aus dem Dienst ausscheiden, in 59 Fällen wegen links-und in drei Fällen wegen rechtsextremistischer Betätigung.

dpa