Vom Dach der Welt

■ Der Pferdedieb

Der Pferdedieb, 23.40 Uhr, ZDF - Mit für unsere Augen völlig fremden, atemberaubenden Bildern führt uns der Regisseur Tian Zhuanzhuang in seinem Spielfilm Der Pferdedieb aus dem Jahre 1986 in die vom allgegenwärtigen Glauben und Tod geprägte Welt in Tibet. Wir werden Zuschauer eines Neujahrsfestes, von Himmelsbestattungen und Gebetszeremonien. Es sind reale Zeremonien, die der Regisseur Tian mit der Kamera beobachtet hat und die seinem Film einen sehr authentischen Charakter verleihen. Doch von einer Kulturdokumentation ist Der Pferdedieb weit entfernt. Immer wieder wird diese realistische Stimmung der Szenen unterbrochen, verwandeln sich die Bilder in surreale Metaphern, die den Rahmen von Zeit und Raum sprengen.

Viele der im Film zu sehenden Bräuche waren zu Maos Zeiten verboten. Einige dieser Rituale und Zeremonien sind heute in Tibet wieder zu beobachten. Auch die Himmelsbestattungen finden noch statt. In einem Land, in dem das Brennholz knapp und der Boden steinig ist, muß es als rationale Lösung angesehen werden, wenn die Toten den Geiern zum Fraß vorgeworfen werden. Zudem gelten diese Vögel als heilige Tiere, die die Seele schneller in ihre nächste Existenz überführen.

Tians Film löste in China und Tibet heftige Reaktionen aus und wurde zeitweilig verboten. Gerade an der Darstellung der Himmelsbestattungen nahmen offizielle Stellen besonderen Anstoß. Das hier vermittelte Bild eines in mittelalterlicher Armut und Gebräuchen zurückgebliebenen Landes wollte so gar nicht zu dem Bild passen, das die chinesische Propaganda von Tibet im In- und Ausland zeichnete. Die Tibeter selber hatten Probleme mit dem Protagonisten, dem Pferdedieb Luoerbu, der aus wirtschaftlicher Not immer wieder gezwungen ist, gegen die Regeln seines Glaubens zu verstoßen.

Tian Zhuangzhuang ist einer der wichtigsten Regisseure der „Neuen Welle im chinesischen Film“, die mit der Zerschlagung der Demokratiebewegung und der eingeleiteten repressiven Kulturpolitik ein jähes Ende kam. Tian befand sich während des Massakers auf dem Tiananmen-Platz zwar außerhalb des Landes, kehrte jedoch gegen den Rat vieler Freunde und Kollegen nach China zurück. Heute arbeitet er an einem neuen, wesentlich kommerzielleren Filmprojekt.