Krenz in Moskau: Die reine Wonne

Ganz dem Volke zugewandt - aber nicht konkret / „Freie Wahlen - das sind nicht meine Gedanken“  ■  Aus Moskau Barbara Kerneck

Egon Krenz, daran ließ er bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch keinen Zweifel, will die DDR „noch schöner“ machen, als sie schon ist. Braungebrannt, wuschelig shampooniert und mit strahlendem Lächeln badete Krenz vor dem internationalen Publikum in reiner Wonne. Im Gespräch mit Gorbatschow habe es keinen Punkt gegeben, in dem nicht Übereinstimmung erzielt wurde, und die gegenseitige Umarmung sei „nicht nur symbolisch“ gewesen. Über die Vereinbarungen äußerte er sich allerdings lakonisch: „Die Kriterien unserer Zusammenarbeit sind Effektivität und gegenseitiger Vorteil.“ Global bekannte sich Krenz zur Vorbildfunktion der Perestroika, aber den konkreten Fragen gerade osteuropäischer und sowjetischer Journalisten, wie denn dieses Vorbild in der DDR verwirklicht werden solle, wich er aus. Ausgerechnet ein Korrespondent des DDR-Rundfunks erkundigte sich, welche konstitutionellen Garantien denn geschaffen werden könnten, damit nicht reaktionäre Kräfte in der DDR wieder die Oberhand gewännen. Die Möglichkeit von Verfassungsänderungen blockte Krenz entschieden ab. Auch auf die Frage, wie er den Forderungen nach freien Wahlen nachkommen wolle, ob er gar an alternative Kandidaturen dächte, reagierte Krenz sehr reserviert: „Selbst wenn ich andere Gedanken hätte... Aber ich habe keine anderen Gedanken“, und: „Wir haben in der DDR bereits den Pluralismus.“ Er sei viel zu sehr Demokrat, betonte Krenz, um etwaigen Entscheidungen des Ministerrates und der Volkskammer vorzugreifen - dies gelte auch für die Frage einer weiteren Regierungsumbildung. Immerhin: „Wir werden alles tun, damit unsere Deutsche Demokratische Republik sich auch auf diesem Gebiet weiterentwickelt.“ Die Mauer müsse allerdings bleiben, vor allem als wichtiger Faktor des europäischen Gleichgewichts.

Von sowjetischen Presseorganen war nicht wenig die Rede: Wie, so fragte ein Vertreter der 'Novoje Vremja‘, sieht die Zukunft unserer Zeitschrift in der DDR aus? Wieder erwies sich Krenz als „Meister der Dialektik“. Ein „Verbot“ sowjetischer Zeitschriften habe es in der DDR niemals gegeben, der 'Sputnik‘ sei lediglich von der Auslieferungsliste der Post gestrichen worden. Der Postminister habe kürzlich umgekehrt entschieden: „Es war eine Episode im Leben unserer Republik.“ Allein die SED habe in dieser Sache entschieden. Plötzlich aber fügt Krenz mit einem unverfrorenen Lächeln hinzu: „Obwohl der Besuch von Michail Sergejewitsch in Berlin sehr, sehr gut war - das ist eine ganz andere Sache!“