Schwester Luise hat mehr Power

■ „Die III. Art“ aus Bremen und die „Fun Horns“ aus Berlin (DDR) beim Jazz Fest

„Laut und Luise“, Geschwister aus Ernst Jandls Poetenfeder, kürte Jazz-Fest-Moderator Peter Schulze Carstens zum Motto des zweiten Abends des Jazz Festes. Bruder Laut mußte schon wegen des Vers-Rhythmus voran gehen.

In der Verkleidung einer hochneuzeitlichen Band aus der Heimatstadt, kam er auf die Bühne. Die III. Art heißt die knattergebildete Bremer Konzept-Band, die nicht nur die Zutaten einer Jazz-Combo, (Bläser, echter Flügel) sondern auch noch die einer Trash-Band (Sonnenbrille auf dem Bassisten, fenderklirrende Schrammelgitarre) in ihr Festmahl gießen. Ein hochexplosives Gemisch läßt sich da erwarten, rasende Punk-Rhythmen über swingendem Klavier, ausrastende Hörner, an den Rand der Erträglichkeit getriebenes Gitarrengezirpe, ganz hoch, daß es pfeift in den Ohren und ein unerbittlich nach vorwärts weisender Bass, der uns Publikum keine an

dere Chance läßt, als auf den wackligen Schauburg-Sitzen eine Balance-Tanz-Akrobatik zu absolvieren. Aber dann entpuppte sich die Band doch als ein links etwas flügellahmes und in der Spitze abgebrochenes Wesen. Verstärkt durch den anfangs undifferenzierten Sound (Bass und Schlagzeug zu laut - alles andere kaum zu hören) war die Aufgabenteilung in der Band zu undeutlich. Schlagzeuger Leopold Stokowski setzte dabei die vielschichtig kollagierte Musik gut in Bewegung, Andre Szigethy (p) setzte krumme Akzente dagegen, aber die Unterstützung vom Bass, bzw. der Kommentar von der Gitarre blieb daneben blaß. Und die beiden Bläser, die den Klanginszenierungen die strahlenden Perlen aufsetzen sollen, blieben dicht beieinander, nahmen sich nur wenige Freiräume. Zu glatt, zu brav, zu bieder. Nur Tenorist Ralph Miller schaute in seinen Spielpausen schon sehr schön metropoli

tan lurieg von der Bühne.

Schwester Luise hatte sich mächtig in Schale geschmissen. Verkleidet als die Fun Horns, ein Quartett aus lauter Bläsern aus der DDR, zwei Saxophonisten (Volker Schlott, as, ss; Thomas Klemm, ts, fl), zwei Blechbläsern (Joachim Hesse, tp; Jörg Huke, tb), stellte sie sich auf die Bühne, machte einen schüchternen Knicks und dann ging es los. Rasant verknüpften sie ihre Themen, wechselten von Null auf Hundert die Dynamik, verschlangen ihre einzelnen Linien eine um die andere. Blasquartette erfordern von ihren Musikern ein hohes Maß an Disziplin und Genauigkeit und wenn diese beides auf die Bühne bringen, dann ist erst die Grundlage für ein langweilig solides Konzert gegeben. Der Pepp kommt erst aus der Spielfreude, aus den klug genutzten Spielräumen, aus dynamisch gesetzten Pausen, aus dem Ausspielen der Möglichkeiten der Instru

mente bis in die Extreme, aus Paraphrasen, gegenseitigem Spielverständnis und natürlich auch daraus, daß das musikalische Material, die Kompositionen etwas hergeben. Bei den Fun Horns ist all dies gegeben, Virtuosität, Exaktheit, Präsenz, Selbstironie und ein selbstverständlicher Swing, eine leise brodelnde Rhythmik, die alles zusammenhält. Sie reizen die klanglichen Möglichkeiten ihres Quartetts bis zum Anschlag aus, von den ganzen leisen Grooves, die sich aus den Klappengeräuschen der Saxophone zusammensetzen bis zu brachialen Kollektiv-Hupereien, von Solo-Passagen bis zu vierstimmig ausnotierten kammermusikalischen Themen.

Gewürzt mit einem verblüfften, schüchternen Charme und dem Selbstwitz, den nur haben kann, wer weiß, weshalb er lachen darf, wird solch ein Konzert wie dieses zu einem wirklichen Erlebnis.

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