Quittung für Weimar

Der Hanauer Atomsumpf treibt alte Blüten  ■ K O M M E N T A R E

Die größte Plutoniumfabrik der Welt arbeitet seit Jahren illegal - genauer gesagt seit vierzehn Jahren. Jener Wirtschaftszweig, der (solange es ihn gibt) wie kein anderer unter öffentlicher Kontrolle zu stehen hat, produziert auf der Grundlage windiger Genehmigungen, erteilt von einem windigen Minister. Rücktritt wäre die angemessene Reaktion. Aber wir wissen, der Zeitgeist weht anders: Karlheinz Weimar spielt die beleidigte Leberwurst und zieht mit seinen Hanauer Freunden vors nächste Gericht.

Weimar wäre ja nicht der erste Umweltminister, der über die Hanauer Plutoniumschmiede stolpert. Vor bald drei Jahren scheiterte - freilich unter anderen Vorzeichen - die erste rot-grüne Koalition auf Landesebene im Hanauer Sumpf. Als großer Koalitionspartner wollte die SPD damals weiter so verfahren, wie es Weimar später tat und wofür er jetzt von den höchsten hessischen Verwaltungsrichtern die Quittung erhielt. Späte Genugtuung für Joschka Fischer, Weimars Vorgänger im Amt, der damals die Hanauer Verhältnisse nicht ertragen wollte.

Ein anderer Umweltminister hat von Bonn aus stets goutiert, wie der hessische Provinzaufseher den Atomikern zu Diensten war: Klaus Töpfer. Aber Töpfer hat nur seine Aufsichtspflicht verletzt, nicht selbst rechtswidrige „Vorabgenehmigungen“ im Hauruck-Verfahren in ebenso rechtswidrige Teilgenehmigungen umgewandelt.

Das Problem des Bonner Umweltministers ist von anderer Dimension: Ihm zerbröselt sein sogenanntes Entsorgungskonzept so rasant zwischen den Fingern, daß das Publikum kaum folgen kann. Erst mußte er sich damit abfinden, daß die Endlagerung der atomaren Hinterlassenschaft ein Projekt für das nächste Jahrtausend ist, dann brach mit der Flucht der Stromkonzerne aus Wackersdorf das 20 lange Jahre verfolgte Ziel einer „nationalen Entsorgung“ in sich zusammen. Und kaum hat der unglückliche Minister die Plutonium/Uran-Brennelemente als Notlösung entdeckt, den ungeliebten Plutoniumberg wenigstens noch einmal in die Reaktoren zu verbannen, bevor er endgültig als strahlendes Proliferationsrisiko irgendwo herumliegt, droht auch dieser Traum an der Realität zu scheitern. Es ist das in Karlsruhe produzierte Plutonium, das nun in Hanau nicht mehr angerührt werden darf. Der Entsorgungstango geht weiter: dürfen wir bitten, Herr Töpfer.

Gerd Rosenkranz