„Es wird zu keinem umfassenden Betriebsstillstand kommen“

Für den Pressesprecher des Siemens-Brennelementewerks Hanau, Rainer Jend, ist die Teilstillegung der ehemaligen Alkem kein Grund zur Panik  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Jend, der Plutonium-verarbeitende Teil des „Brennelementewerks Hanau“, die alte Alkem, arbeitet seit Jahren illegal. Das wurde Ihnen nun zum zweiten Mal von einem hessischen Gericht bestätigt. Was bedeutet das Urteil ganz praktisch für Ihre künftige Produktion?

Rainer Jend: Ich wende mich gegen die Aussage, daß der Betrieb illegal erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof hat nur eine Teilgenehmigung zurückgenommen.

Was steht in dieser Genehmigung?

Das sind zwei Vorabzustimmungen des hessischen Umweltministers, die in eine Teilgenehmigung nach §7 des Atomgesetzes umgewandelt wurden. Die regeln zum einen ein bestimmtes chemisches Konversionsverfahren und zum zweiten das „System Füllen und Schweißen in Caisson 4“.

Was bedeutet das für die Produktion?

Von diesem Urteil sind nur Teilbereiche der Mischoxidverarbeitung betroffen. Es wird zu keinem umfassenden Betriebsstillstand kommen. Über die chemische Konversion werden nur etwa 10 Prozent des angelieferten Plutoniums zu Mischoxid verarbeitet, 90 Prozent erhält das Werk in Form von Plutoniumoxid-Pulver aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Frankreich und England. Dieses wird nach einem anderen Verfahren zu Mischoxid verarbeitet. Der zweite Regelungsanteil, das System „Füllen und Schweißen in Caisson 4“ ist Bestandteil der älteren von insgesamt zwei Brennstoff-Fertigungslinien. Aus dieser älteren Linie wurden bisher 20 bis 30 Prozent der gesamten Fertigung abgewickelt. Wir werden uns bemühen, durch entsprechende Maßnahmen die Stillegung dieses Systems zu kompensieren.

Das heißt, in den Atomkraftwerken, die Sie mit Mischoxid -Brennelementen beliefern, sind keine Brennstoff-Engpässe zu erwarten?

Wir hoffen, daß wir alle Aufträge unter größten Schwierigkeiten einigermaßen termingerecht abwickeln können.

Wieviele Ihrer Mitarbeiter sind von dem Urteil vom Mittwoch betroffen?

Das sind etwa 20 Mitarbeiter. Wir werden uns aber bemühen, daß sie an anderer Stelle eingesetzt werden können.

Sie bauen ja gleichzeitig im Moment die „Neue Alkem“...

Wir bauen ein neues Fertigungsgebäude, das bereits im Rohbau steht. Mit dem Innenausbau ist begonnen worden.

Wann kann das neue Werk in Betrieb gehen?

Das ist abhängig von der letzten noch ausstehenden Teilgenehmigung. Herr Minister Weimar hat die Erteilung oder die Entscheidung über diese siebte Teilgenehmigung für 1990 angekündigt.

Sie wollen trotzdem gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin Revision einlegen. Das dauert ein bis zwei Jahre. Ist es da vernünftig, diesen Aufwand noch zu treiben?

Wir sind der Meinung, daß die betreffenden Teilgenehmigungen nicht fehlerhaft zustande gekommen sind. Deshalb werden wir wegen der jetzt entstandenen Schwierigkeiten diesen Weg auf jeden Fall gehen. Außerdem prüfen wir natürlich, ob es noch andere rechtliche Möglichkeiten gibt. Aber da möchte ich nicht ins Detail gehen.

Wenn von dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nur 20 bis 30 Prozent Ihrer Produktion im Bereich Mischoxid-Elemente betroffen, sind und auf der anderen Seite das neue Werk schon bald in Betrieb gehen kann, was motiviert Sie dann noch, nach Berlin zu ziehen?

Moment mal, man darf doch wohl noch seinen Rechtsstandpunkt verteidigen.

Wäre es nicht viel einfacher für Sie, den betroffenen Betriebsteil endgültig stillzulegen, weil selbst ein für Sie positives Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu spät käme?

Nein, wir sind der Auffassung, daß alle Vorabzustimmungen und Teilgenehmigungen rechtmäßig waren. Es geht außer um die entstandenen aktuellen Probleme für unsere Fertigung um eine prinzipielle Frage, die wir klären wollen. Das hat auch Herr Weimar gesagt, wenn ich ihn richtig verstanden habe.

Rechnen Sie denn damit, daß der jetzt gestoppte Betriebsteil irgendwann nochmal reaktiviert wird?

Das kann ich, wenn ich seriös bin, nicht beantworten. Da sind zu viele Rahmenbedingungen zu berücksichtigen - auch die Reaktion des hessischen Umweltministeriums. Außerdem müssen wir erst mal die schriftliche Urteilsbegründung haben, um eine entsprechende Konzeption entwickeln zu können.

Interview: Gerd Rosenkranz