: Reformtrubel
■ Was DDR-BürgerInnen bewegt, was DDR-Zeitungen schreiben / Geschichte und Geschichten
Der frühere Leiter des Aufbau-Verlages Walter Janka, der nach dem Ende der Tauwetterphase 1956 wegen angeblicher Umsturzversuche zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, kommt wieder zu Wort. Dem LDPD-Organ 'Der Morgen‘ sagte er, es sei zutiefst traurig, wenn die Menschen in der DDR „unsere Geschichte, mit allem Wenn und Aber, nicht kennen“. Egon Krenz, in Moskau auf „weiße Flecken“ in der DDR-Geschichte angesprochen, verwies auf die in Arbeit befindliche vierbändige Geschichte der SED. Daß der bereits fertige zweite Band nach einer Historikertagung in Moskau wieder eingestampft wurde, verschwieg er. Dafür wird die Deutsche Post ab Januar 1990 den Vertrieb der sowjetischen Zeitschrift Sputnik wieder aufnehmen. Auch stalinismuskritische sowjetische Filme, die bislang verboten waren, sollen ab sofort auf DDR-Leinwänden zu sehen sein.
Ein Kur- und Erholungsheim des FDGB-Vorstandes in Graal -Müritz soll, so wollen es die medizinischen Mitarbeiter, zukünftig nicht mehr nur den Spitzenfunktionären, sondern auch Normal-Patientenzur Verfügung stehen. Eine Antwort des FDGB auf diese Forderung steht aus. Der IG-Metall-Chef, der wegen des Schwarzbaus eines luxuriösen Eigenheimes seinen Hut nehmen mußte, rechtfertigte sich inzwischen ob der unüblich luxuriösen Ausführung: Die Schwiegereltern aus Moskau wollen bald übersiedeln.
In Dresden begann am Donnerstag ein Prozeß gegen drei Personen, die angeblich an Ausschreitungen im Hauptbahnhof Anfang Oktober beteiligt gewesen sein sollen. Demonstrationen gab es auch am Mittwoch abend: 20.000 in Neubrandenburg, mehrere Zehntausend in Frankfurt.
Unterdessen kündigte DDR-Justizminister Heusinger eine Änderung des Fluchtparagraphen im Strafgesetzbuch an.
Trotz der Reformoffensive zieht es weiter DDR-Bürger in den Westen: Rund tausend sitzen bereits wieder in der Prager Botschaft. Immerhin - 200 DDR-Übersiedler sind in den letzten Wochen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.
taz
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