Jazzfest under Cover

■ „Pearls of Brass“ und „Mike Westbrook Band“

Ein besonderer Abend sollte es werden, schließlich kamen fast ausschließlich Cover-Versionen zur Aufführung. „Klassische Musik des 20.Jahrhunderts“, kündigte RB -Moderator P. Schulze-Carstens an, und vermutete im Namen des Publikums, daß die Frage berechtigt sei, „was das mit Jazz zu tun hat“. Die multinationale Formation Pearls of Brass um den Trompeter Heinz Becker antwortete mit einem Intro, das eine Menge mit Jazz zu tun hatte. Quellende Glockentöne vom Keyboard (County Stegmann) und faselnde Bläser vermittelten zunächst den Eindruck, als wollten sie sich aufeinander einstimmen. Dabei waren sie unter dem Motto angetreten, Klavier-Kompositionen von Erik Satie mit einem Bläserquintett zu interpretieren. Keine schlechte Idee, waren doch bisher die Satie-Stücke den meisten nur in ihrer Originalversion bekannt. Der beredte Becker sprach dann auch von einem Abenteuer, „daß wir uns darauf eingelassen haben, Satie auf Blasinstrumenten zu spielen“ und dem Abenteuer des Publikums, ihnen zuzuhören. Wenn der Klang-Eindruck auch manchmal irritierte, so kann der Versuch als gelungen angesehen wer

den. Bei den Gymnopedies spielte Chuck Cornish das Flügelhorn einfühlsam, als wollte er den Noten nicht wehtun, so daß der zärtliche Charakter der Tonfiguren erhalten blieb aber gleichsam in einem anderen Licht erstrahlte. Alles schien ohnehin eine Frage der Instrumentenwahl zu sein. Im dritten Teil des Zyklus, der vom Keyboard recht kitschig verhallt begleitet wurde, erwies sich die

melodietragende Posaune (Garrett List) als ein wenig zu wuchtig und durchdringend. Das markige Instrument verfremdete das sinnlich-melancholische Motiv erheblich. Ganz anders die dickbäuchige Tuba Howard Johnsons bei den Sonneries. Nach den hymnischen Bläsersätzen und scharfen Trompeteneinschüben trieb Johnson das metallene Ungetüm in schwindelnde Tonhöhen. Viel

leicht, um der strukturierten Musik Saties für einige Momente zu entgehen, sorgten Becker/List mit einem ausufernden Duett und Thomas Heberer (Trompete) mit einem messerscharfen Solo, dessen spitze Töne wie Pfeile ins Ohr stießen, für Abwechslung.

Nach der Pause war es der achtköpfigen Mike Westbrook Band vorbehalten, den Cover-Effekt um eine weitere Nuance zu erweitern. Das gesamte Album Abbey Road der Beatles stellten sie in einer neu-arrangierten Fassung vor. Absoluter Star der Band war dabei der auch in Bremen bestens bekannte Sänger/Vokalist Phil Minton. Sein Oh Darling avancierte zum Hit des Abends. Schluchzend und schmachtend verausgabte sich der Sohn Waliser Sangeseltern, brabbelte und quietschte im nächsten Moment, um dann aus den Tiefen seiner Kehle aufzutauchen und mit Kate Westbrook stimmlich vereint das Thema wieder aufzunehmen. Das wild durcheinander kostümierte Oktett (der Drummer Peter Fairclough mit dem mißmutigen Gesicht und dem 60er-Jahre-Anzug war eine Augenweide) hatte eindeutig seine originellsten Augenblicke, wenn es die engen Strukturen der Vorlage verließ, in Bereiche der freien Improvisation abwich und als Brass -Quartett mit Gitarren-und Pianobegleitung turbulente Akzente setzte. Ein gesungenes „love is all you need“ beendete die Pilzkopf-Adaptationen.

Lobsang Samte