Woher kommen wir?

■ Reise ins Innere eines Reisenden / Die Briefe Paul Gauguins

Lieber Strindberg, ...

... Ich hatte so etwas wie die Ahnung einer Revolte: eines Zusammenstoßes zwischen Ihrer Zivilisation und meiner Barbarei. Einer Zivilisation, unter der Sie leiden. Einer Barbarei, die für mich Verjüngung ist.

Gaugin, Selbstportrait 1891

Diese Welt wäre also ein Paradies, das ich selbst entworfen hätte. Und vom Entwurf zur Verwirklichung des Traumes ist ein weiter Weg. Was tut's! Ein Glück voraussehen, ist das nicht ein Vorgeschmack des Nirwana?

Paul Gauguin schrieb den Brief 1895 an Strindberg. Eine zentrale Metapher seines Denkens taucht hier auf: Hass auf eine Zivilisation, die den Bürersohn, gut betucht aufgewachsen, bis ans Lebensende auf einer Südseeinsel verfolgt; Sehnsucht nach „Glück“, das ein zwischen Geld und Armut, Hochkultur und Syphilis, künstlerischer Ambition und Mißerfolg zerrissener Gauguin umso verbissener zu zwingen suchte; und „Barbarei“, das Wilde, projektiver Ort von Schönheit, Erlösung und Befriedigung.

Im Briefverkehr Gauguins läßt sich jetzt ausgiebig stöbern: der Verlag „Atelier im Bauernhof“ präsentiert eine überarbeitete Neuausgabe der wichtigsten Briefe des „Malers vom Ende der Welt“ in einer schönen, bebilderten Taschenbuchausgabe, die eine Lücke im Regal der Malererinnerungen (van Gogh, Cezanne, Monet etc.) schließt, liegt doch die Ausgabe des Hentschel-Verlages schon 20 Jahre zurück. Herausgeber Hans-Günther Pawelcik begleitet die Briefe mit dokumentarischen Ergänzungen, einem Erläuterungs -und einem biographischen Teil. Im Nachwort versucht er, die intellektuelle Dimension im Werk Gaugins unter Beweis zu stellen, indem er sich um die klassischen Wurzeln des Malers kümmert. Pawelcik charakterisiert Gauguin als Mann, der aufgrund seiner Widerstrebenden Eigenschaften nicht und von niemand zu vereinnahmen sei. Denn Gauguin war neben Maler, Bürgersohn, Syphilitiker (und entsprechend: Frauenheld) und Aussteiger auch engagiert für die Ureinwohner der Südseeinseln.

Bu

Paul Gauguin. Briefe. Hrsg.v. H.G.Pawelcik. 288 S., 24,80 DM)