'Suppenküche‘: Von der Provokation zur Regel

■ Die „Suppenküche“ im Fedelhören teilt täglich an hundert Menschen Essen aus / Feste Stellen - oder die Grundversorgung macht dicht

Gedacht war sie mal als Stein des Anstoßes, als Signal, als Peinlichkeit im Netz der angeblich so lückenlosen sozialen Versorgung, deshalb auch versehen mit dem bewußt provokanten Namen „Suppenküche“: offiziell die „Teestube“ der 'Hoppenbank‘ im Fedelhören, ein Verein, der sich um Strafgefangene, Knast-Entlassene, Benachteiligte und von Haft bedrohte BürgerInnen kümmert.

Um Tee geht es da allerdings weniger. Inzwischen, nach vier Jahren Essensausgabe und sozialer Beratung, ist aus der 'Provokation‘ eine elementare Notwendigkeit in der Stadt geworden. Nicht mehr nur 20, sondern inzwischen rund hundert Menschen pilgern täglich ins Fedelhören und bekommen eine warme Mahlzeit, ein gesundes Frühstück oder ein Abendessen „'a la carte, natürlich im Rahmen von 2,50 Mark“, erklärte Sozialarbeiterin Birgit Rother für die Hoppenbank-Teestube.

Daß die Sozialhilfesätze inzwischen oft 30 Prozent unter dem schon kärglichen Existenzminimum liegen, daß immer mehr Menschen obdachlos werden, daß viele aus Unkenntnis oder Angst nicht einmal die paar Leistungen beanspruchen, die ihnen die Ämter zubilligen würden, all das, so Birgit Rother, merkt man in der Suppenküche immer drastischer. Immer mehr Menschen kommen und brauchen ein warmes Essen; die etwa 100 Bedürftigen am Tag sind insgesamt rund

1400 verschiedene Personen. Die meisten von ihnen sind Männer: Alleinstehende, die sich nicht selbst versorgen können, Haftentlassene ohne Aussicht auch nur auf eine Aushilfsjob, Ältere, auch Drogenabhängige.

Die kassierten 2,50 Mark pro Mahlzeit reichen knapp für die verwendeten Lebensmittel. Spärlich genug flossen in der Vergangenheit für die Personalkosten Gelder aus ABM, aus der Brüsseler EG, aus §-19-Stellen. Schwervermittelbare, langzeitarbeitslose KöchInnen, Hauswirtschafterinnen, Verwaltungsangestellte fanden in der Suppenküche nicht nur vorübergehende Beschäftigung, sondern konnten sich auch EG -gefördert in EDV, moderner Lagerhaltung, Recycling und Vollwert-Kost so weiterqualifizieren, daß von acht Personen immerhin vier inzwischen neue feste Arbeit gefunden haben.

„Wir sind ja ganz bescheiden. Wir brauchen einen Koch oder besser eine Hauswirtschaftsleiterin, eine SozialpädagogIn und eine halbe Verwaltungskraft, aber ohne die müssen wir zumachen“, faßte Beate Petsche, Sozialpädagogin in der Hoppenbank, die allernötigsten Forderungen zusammen. Noch bis Ende Dezember laufen die EG-Gelder, dann ist erst mal und vielleicht ganz Schluß, Weiterbewiligung offen. Seit Jahren wurden von der Sozialbehörde immer mal wieder Stellen in Aussicht gestellt. Bislang gibt es für die Suppenküchen keine einzige.

„Wer Sozialhilfe-Empfänger in dieser Situation zur Selbsthilfe auffordert, fordert sie auf zum Diebstahl“, fand Albrecht Lampe, Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbades (DPWV) im Lande Bremen, „hier geht es um

Grundversorgung, wo die Sozialhilfesätze die Menschen hungern lassen.“ Ohne Arbeit, auch oft ohne Wohnung ist das blanke Überleben auch in Bremen für immer mehr Menschen zum Problem geworden. Der DPWV schießt seit Beginn monatlich 500

Mark zu, ein inzwischen eher symbolischer Beitrag.

Für diejenigen, die nicht mal die 2,50 Mark in der Tasche haben, gibt es in der Suppenküche „Essen auf Kredit“: Gegen eine Art Bon oder richtiger: Schuldschein gibt es erstmal Essen; die

moralische Verpflichtung, dies mit der nächsten Sozial-oder Arbeitslosenhilfe zurückzubezahlen, kann oft nicht eingelöst werden. Schließlich springt die Sozialbehörde jährlich mit ein paar tausend Mark ein und deckt das Defizit. „Selbst wir treiben die Ärmsten damit in vorweggenommene neue Verschuldung“, so Beate Petscher, „wir fordern dafür einen festen Betrag.“

Für die rasant gestiegene Zahl der Bedürftigen steht die existentielle Versorgung in der Suppenküche im Mittelpunkt. Aber es geht nicht nur ums Abfüttern: Sozusagen nebenbei passiert, was mit einem bißchen Perspektive zu tun hat: die Qualifizierung der arbeitslosen MitarbeiterInnen, die Beratung der Bedürftigen, die oft ihre elementarsten Rechte nicht kennen. Und die Gelegenheit auch für Arme, statt eine Aldi-Dose zu öffnen mal unter anderen Menschen wie in einer gastronomischen Einrichtung zu sitzen, zu reden, um Rat zu fragen, Billard zu spielen. Lampe: „Die Forderungen sind realisierbar, das geht. Wenn die Stellen nicht bewilligt werden, haben in Bremen täglich 100 Menschen nichts zu essen; das ist eben die Frage: ob einem das einen Koch, eine Sozialpädagogin und eine Verwaltungskraft wert ist.“ Susanne Paa