WIE DER VEREINIGT

■ Deutschmann & Kunert mit „Amokoma - Deutschmann im Herbst“

Kabarett? - Ohne mich. Da war ich wohl einmal zu oft in einer Anstalt linken Rechts. Man geht mir davon: Subversion des Witzes, Macht des Wortes, Sprengladungen am Verblendungszusammenhang. Verzerrer der Wirklichkeit zu ihrer Wahrheit - aber nicht doch. Die Charaktermasken an den Spieluhrpositionen der Macht sprechen wahr, ihre Taten liegen in der „Tagesschau“ aus. Dafür sind Bananen auch nicht mehr das, was sie einst waren. Und wenn man's mit Realsatire versucht? Merke: drei Namen aus dem Kabinett, schreckenbergerunterlegt, geben einen Lacher. Doch wer zuletzt lacht hat die Polizei auf seiner Seite. Bleibt, dem linken Milieu den Spiegel vorzuhalten. Wir über uns, Lachen ist eine gute Therapie, weinen muß man sowieso.

Und wie, um die eigene Ungefährlichkeit unter Beweis zu stellen, tritt die ganze Satire-darf-alles-Mannschaft am späten Fernsehsamstagabend zum Kabarett an, um sich von Reinhard Mey durchs Programm moderieren zu lassen. Der, aus seinem über dem Wolkenkuckucksheim mit Gitarre wiederbelebt, versichert - durch Augenblinzeln überm Brillenrand -, daß Satire was ausgesucht Gefährliches sei. Ein schwaches Dementi dessen, was zu sehen ist.

Nein, Matthias Deutschmann hatte nicht Teil an diesem netten Fernsehabend. Nicht, daß er das Fernsehen scheute anläßlich der Funkausstellung dieses Jahr war er bei 3Sat. Da saß er in einem Zelt nahe dem Sommergarten, um ihn herum Leute unter gelben ZDF-Mützen, die nach Gottschalk noch etwas zu lachen haben wollten. Und dann irritiert auf den Kohlen der Unterhaltung saßen. Tatsächlich haben Deutschmanns Programme wenig von dem, was man gemeinhin Unterhaltungswert nennt. Sie brauchen, wie jede gute Kunst, eine gewisse Eigenbeteiligung beim Zuschauer: Deutschmann bedient sein Publikum nicht. Daß dies nicht mißverstanden wird: er ruft es auch nicht zum Nachdenken auf. Wer nicht von selbst nachdenkt, der steht auch an der Demokratie stramm, wenn sie die Nationalhymne pfeift.

Deutschmann ist sicher einer der wenigen Kabarettisten, die um die prekäre Situation des Kabaretts wissen. Auf der einen Seite wollen die Verhältnisse analysiert sein, auf der anderen Seite zeitigt diese Analyse vom Kabarettboden aus heute so wenig Wirkung wie nie. Zwischen den zwei Extremergebnissen dieser Situation, zwischen Aufhören und Unterhaltung auf dem größten gemeinsamen Kohlwitznenner, hat sich Deutschmann auf eine Position begeben, von der aus er, in einem in Worte geretteten, zivilisierten Haß, dieses Wunderschreckensland, das auf seinen Wiedervereinigungshöhepunkt zusteuert, in Augenschein nimmt. „Mein Name“, sagt er, „ist mir Auftrag und Verhängnis.“ Und wie immer, wenn man an Deutschland in der Nacht denkt, bekommt man kein Auge zu.

Da braucht man nur ein einigermaßen anständiger Mensch mit einem bißchen Sinn für Gerechtigkeit zu sein, und schon wird einem schlecht, wenn man an die böse Farce denkt, die sich Geschichte nennt. Deutschland, der Verlierer des Zweiten Weltkriegs? Sehen denn so Verlierer aus, fragt Deutschmann, und in seiner Armbewegung liegt der ganze Exportüberschuß der BRD. Nein, so sehen keine Verlierer aus, so sehen Gewinner aus, die ihre Taktik verändert haben. Heute kommt nicht mehr zuerst die Wehrmacht und dann die Deutsche Bank, sondern zuerst die Deutsche Bank - und dann wird der Besitz verteidigt. Wozu auch Länder besetzen, wenn man sie aufkaufen kann. Selbst ein Abs lernt dazu: Panzer zu Kontoauszügen.

So eine Entwicklung braucht man kaum noch zu interpretieren, Zitate genügen, wie immer. Und so, wie sie Deutschmann in einen Zusammenhang bringt, bleibt nicht mal mehr das Lachen, das einem im Hals stecken bleibt. Die Geschichte ist bitter, und der Zuschauer stumm. Erleichterung gibt es nur, wenn Kunert zum Klavier singt, eine Atempause vor dem nächsten Blick auf den lauten Zwang der Verhältnisse.

Am Ende des Programms liest Deutschmann „Die Legende vom toten Soldaten“ von Brecht und geht in dem Moment von der Bühne, in dem Brecht bei der Uraufführung in einem Berliner Kabarett von Junkern mit Sektgläsern beworfen wurde. Das war eine große Zeit für das Kabarett. Heute quakt ein Held aus Betrafmich dazwischen, nicht sonderlich intelligent, höchstens lästig, nur zum Wurf mit dem Sektglas fehlt ihm das Engagement.

Höttges

Deutschmann & Kunert im Mehringhoftheater, Mittwoch bis Sonntag um 21 Uhr.