Beleidigte Sexualität im (Polit-)Strafverfahren

■ Nach der Verurteilung zu 20.000 Mark Schmerzensgeld an Ex-Bürgermeister Ubbelohde wegen (Homo-)Satire wird die AL nun von der P-Abteilung verfolgt

Der Streit zwischen Berlins teuerstem Asexuellen, wie inzwischen gewitzelt wird, dem Charlottenburger Ex -Bezirksbürgermeister Baldur Ubbelohde (CDU), und der AL geht jetzt in die nächste Runde: nachdem ein Zivilverfahren um die 'Stachel'-Satire bereits im Juli zuungunsten der AL entschieden wurde, folgt jetzt ein Strafprozeß. Die berüchtigte politische Abteilung der Staatsanwaltschaft hat gegen den Verfasser der Satire, den Bezirksverordnenten Micha Schulze, Anklage wegen übler Nachrede und Beleidigung erhoben. Der Prozeß findet am Montag den 13. November um 13.15 Uhr im Amtsgericht Tiergarten statt. Ubbelohde soll als Zeuge und Nebenkläger vor Gericht erscheinen.

Mit der Anklage der P-Staatsanwaltschaft wird, wie auch schon im Zivilverfahren, erneut bestätigt, daß nach immer noch herrschender Meinung in Juristerei und Teilen der Gesellschaft, der „Vorwurf“ der Homosexualität eine Beleidigung darstellt. Die Wahlkampf-Satire der AL -Charlottenburg hatte die gängigen Vorurteile und Diffamierungen gegen Schwule im „Rollentausch“ verdeutlicht: „Wir kannten ihn bisher als anständig schwulen Politiker und Menschen“, „Ein heterosexueller Bürgermeister jedenfalls ist für Charlottenburg untragbar„. Das Zivilgericht bewertete sie dennoch als „objektiv widerrechtlichen Eingriff in die Ehre“ Ubbelohdes und verurteilte die AL und Schulze zur Zahlung von 20.000 Mark Schmerzensgeld. Berufungsprozeß ist im Januar 1990.

Im Vorfeld des Zivilprozesses hatte es wegen einer mißglückten eidesstattlichen Erklärung des Eh(r)e(n)mannes und Familienvaters von zwei Kindern Berlin-weit Verwirrung und Heiterkeit gegeben. Denn in dem Schriftsatz versicherte der damalige Bürgermeister, weder „homosexuell, schwul oder heterosexuell“ zu sein. Dieser Vorstoß über alle Katagorien hinweg wurde von den fortschrittlichen Emanzipationsbewegungen begrüßt. Nur die AL klagte wegen „falscher eidesstattlicher Aussage“ - und wurde abgewiesen: Angeblich war es nur ein Tippfehler.

Das jetzige Strafverfahren beruht auf einer Strafanzeige von „Weder-noch„-Ubbelohde. Angeklagt wird von Oberstaatsanwältin Sagelitz. Aber weil die Staatsanwaltschaft, so Justizsprecher Christoffel, den „Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört“ sah und dessen „Stellung im öffentlichen Leben“ sowie „das Ausmaß der Verletzung“ zu berücksichtigen hatte, nahm sie selbst das Heft in die Hand, anstatt ihn nur auf die Möglichkeit einer Privatklage zu verweisen.

Nun darf mit Spannung erwartet werden, wie Baldur Ubbelohde am kommenden Montag seine wie auch immer geartete sexuelle Orientierung bezeugen wird.

kotte