Knast für Dresdner Demonstranten

■ Kreisgericht verhängt bis zu fünf Jahren Haftstrafe nach Randale / In Dresden wird erstmals auch gegen Polizisten ermittelt / Leipzigs Bürgermeister ist zurückgetreten/ Akw Rheinsberg bald außer Betrieb?

Berlin/Dresden (dpa/ap/taz) - Wegen „Zusammenrottung, Rowdytums und Widerstandes gegen staatliche Maßnahmen“ hat das Kreisgerichtes Dresden-Ost am Freitag drei Männer zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Männer hätten, so das Gericht, am Abend des 4. Oktober aus einer Menschenansammlung heraus Türen, Fenster und andere Einrichtunen demoliert. An diesem Tag fuhren über Dresden die Züge mit DDR-BürgerInnen aus Prag via BRD. Das Gericht erkannte nach Angaben von ADN auf zwei Jahre und zwei Monate Freiheitsentzug für den 19jährigen Forstarbeiter Andre L., auf zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsentzug für den 23jährigen Facharbeiter für Grünanlagen Holm V. und auf vier Jahre Freiheitsentzug sowie eine Geldstrafe in Höhe von 3 000 Mark für den 18jährigen Friedhofsgärtner Kai-Uwe St. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Gegen 70 Polizisten, die an den Einsätzen Anfang Oktober beteiligt waren, sind unterdessen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zahlreiche Demonstranten waren damals verletzt worden. Der Dresdener OB Berghofer erklärte, es habe „eindeutig Übergriffe gegeben“. Er habe sich mit der Bitte um Bildung einer unabhängigen Untersuchungskommission an die Volkskammer gewandt. Werde dieser Bitte nicht stattgegeben, werde es in Dresden ein solches Gremium geben. Während sich sein Dresdner Kollege als Reformvorreiter präsentiert gab Leipzigs Oberbürgermeister Seidel sein Amt ab.

Unterdessen fordert die liberaldemokratische Partei die sofortige Einberufung der Volkskammer. Die Regierung müsse zurücktreten; der LDPD-Vorsitzende Manfred Gerlach soll für das Amt des Volkskammerpräsidenten kandidieren.

Die DDR-CDU dagegen tut sich mit Reformen nach wie vor schwer. Die Konsequenz zog jetzt ihr Vorsitzender Gerald Götting und legte er sein Amt nieder.

Der Rostocker Oberbürgermeister hat Vertreter des Neuen Forums zur Stadtverordnetenversammlung am kommenden Montag eingeladen. Dort sollen Mitglieder des Koordinierungskreises der Bürgerbewegung ihre Standpunkte darlegen. Offensichtlich ist der Vorstoß auch von der SED-Bezirksleitung gedeckt. Ihr 1.Sekretär Ernst Timm sagte gegenüber 'adn‘, es gäbe einige Anknüpfungspunkt für eine Zusammenarbeit bei der Erneuerung des Sozialismus.

Auch in der Umweltpolitik scheint die Wende zu greifen. Der Vizepräsident des Amtes für Atomsicherheit kündigte die „Stillegung des ältesten DDR-AKW in Rheinsberg für Anfang der 90er Jahre an. In mehreren Städten der DDR ist es auch am Donnerstag abend wieder zu Demonstrationen gekommen. Über hunderttausend BürgerInnen waren beteiligt. Egon Krenz hat bei seinem Arbeitsbesuch in Polen die Hoffnung bekundet, Polen und die DDR könnten voneinander lernen. Was die DDR konkret von den polnischen Erfahrungen übernehmen könne, wollte Krenz allerdings der Presse nicht mitteilen.

Trozt der Wende in der DDR hauen weiterhin viele BürgerInnen ab. In der Prager Botschaft stieg die Zahl der Fluchtwilligen gestern wieder auf über 4.000 Personen an.

-eis