KGB: Treholt war nicht unser Mann

Wird der umstrittene Spionagefall Treholt noch mal aufgerollt? / KGB enthüllt Kontakte zu norwegischen Politikern  ■  Aus Oslo Reinhard Wolff

Der Norweger Arne Treholt war kein Spion. Das beteuerte der KGB-General Ginnadij Titow in Moskau gegenüber Treholts Anwalt Arne Haugeslad. In einem fünfstündigen Gespräch am Donnerstag legte er dem Anwalt Gesprächsnotizen vor, die die Unbedenklichkeit von Treholts Kontakten belegen sollen. Sollten Titows Angaben stimmen und einige norwegische Politiker davon gewußt, dies aber im Verfahren gegen Treholt verschwiegen haben, dann wäre in Norwegen ein mittleres politisches Erdbeben zu erwarten.

Arne Treholt, ehemals Staatssekretär und Diplomat, war 1985 wegen Spionage für den KGB zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil war ein Jahr später vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden. Immer aber hatte Treholt seine Unschuld beteuert und gesagt, seine Kontakte zum KGB seien lediglich „diplomatischer Natur“ gewesen. Das Gerichtsverfahren und das nur auf Indizien gegründete Urteil waren in Norwegen und auch im Ausland sehr umstritten.

Treholts Verteidiger möchte den Fall jetzt wieder aufrollen. Deswegen traf er sich in Moskau mit Titow. Die unter norwegischen Juristen als „aufsehenerregend“ eingestuften Äußerungen Titows könnten zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen. General Titow hatte sich im Gespräch mit Haugeslad bereit erklärt, vor Gericht in Oslo als Zeuge auszusagen und seine Gesprächsnotizen vorzulegen. Dazu gehören nach seinen Angaben auch Dokumente, die beweisen, daß zwei norwegische Minister genau über Treholts Kontakte zu ihm informiert gewesen seien.

Titow enthüllte Haugeslad außerdem, er habe noch zu „anderen Politikern auf demselben Niveau wie Arne Treholt“ ständige Kontakte gepflegt. Auch hierzu könne er Beweise vorlegen. Überhaupt seien derartige „informelle Kontakte“ des KGBs mit westlichen Politikern und Regierungen in der Vergangenheit durchaus üblich gewesen.

Im Verlauf des Gesprächs legte Titow dem Treholt -Verteidiger auch Beweismaterial darüber vor, daß der norwegische Geheimdienst ihn unmittelbar nach der Verhaftung Treholts kaufen wollte: für eine halbe Million Dollar und die Zusage einer neuen Existenz in einem Land seiner Wahl. Nach ergänzenden Recherchen des norwegischen Rundfunks war der Versuch, Titow zum Überwechseln zu bewegen, im Auftrag des CIA erfolgt.

Im norwegischen Rundfunk gab ein Kommentator bereits Hinweise, wie die für einige Politiker in Norwegen unbequemen Enthüllungen noch zu verhindern wären: indem man Titow das Einreisevisum verweigert. Dann kann er vor Gericht auch nicht aussagen.