Präsidentenwahl im Libanon fraglich

■ General Aoun droht mit Auflösung des Parlaments / Christliche Abgeordnete warten in Paris ab

Beirut/Paris (afp) - Dramatisch zugespitzt hat sich am Freitag wieder die Verfassungskrise im Libanon. Seit September letzten Jahres hat das von Bürgerkriegen und ausländischen Interventionen zerrissene Land keinen Präsidenten mehr. Nachdem eine für Freitag geplante „Konzertierung“ zwischen General Aoun, Chef einer bisher vom christlichen lager getragenen Militärregierung, und den christlichen Abgeordneten am Donnerstag abend abgesagt werden mußte, weil letztere ohne klare Garantien angesichts der wiederholten Drohungen des Generals gegen die „verräterischen Parlamentarier“ nicht nach Beirut kommen wollten, schien Aouns Übergangsregierung ihre Ankündigung wahrmachen zu wollen, das Parlament aufzulösen und damit die Wahl eines Präsidenten zu verhindern.

Weil etwa 20 christliche Abgeordnete, die im saudischen Taif dem Abkommen zu einer Beilegung der Libanonkrise zugestimmt hatten, Freitag mittag immer noch in einem Pariser Hotel über ihr weiteres Vorgehen berieten, wurde es sowieso unwahrscheinlich, daß das verlangte Zweidrittelquorum von 49 anwesenden Mandatsträgern, bei 73 verbliebenen, am Samstag erreicht werden könnte. General Aoun berief zugleich eine außerordentliche Kabinettssitzung ein und kündigte für den späten Nachmittag eine Pressekonferenz an, von deren Ergebnis alle weiteren Schritte abhingen.

Öffentlich haben bis Freitag mittag nur drei Kandidaten ihre Kandidatur für das Präsidentenamt angemeldet. Dabei handelt es sich um den Abgeordneten des „Nationalblocks“, Raymond Edde (76), der seit 1976 in Paris im „freiwilligen Exil“ lebt, um den Stabschef des Außenministeriums der christlichen Militärregierung Farouk Abillamaa (55) und Notenbankchef Edmond Naim (71). Da für eine Kandidatur die mündliche Bereitschaftserklärung gegenüber Parlamentspräsident Husseini ausreicht, waren der Spekulation über mögliche Amtsanwärter aber keinerlei Grenzen gesetzt. Einzige Voraussetzung ist, daß der Präsident ein maronitischer Christ sein muß.