Millionendemo am Alex erwartet

Initiatoren der heutigen Demonstration für Presse- und Demonstrationsfreiheit in Ost-Berlin rechnen mit Riesenzulauf / Prominente Rednerliste / Berliner SED-Chef darf „aus Höflichkeit“ sprechen / Theaterschaffende protestieren gegen staatliche Umarmung  ■  Aus Berlin Petra Bornhöft

Nicht weniger als eine Million TeilnehmerInnen an der heutigen Ostberliner Demonstration für Presse- und Versammlungsfreiheit erwarten deren Initiatoren. Das erklärte gestern Werner Holz im Namen der „Vertrauensleute der Berliner Kunst- und Kulturschaffenden“ gegenüber der taz. Bei der Kungebung am Alexanderplatz sollen folgende RednerInnen sprechen: SED-Lokalchef Günter Schabowski, Ex -Spionagechef Markus Wolf, Professor Jens Reich vom Neuen Forum, Pfarrer Friedrich Schorlemmer von der Gruppe Demokratischer Aufbruch, LDPD-Vorsitzender Manfred Gerlach, die SchriftstellerInnen Christa Wolf, Stefan Heym und Christoph Hein, der Dramatiker Heiner Müller sowie die Schauspielerin Steffi Spira. Allerdings, so die Veranstalter gestern, „halten wir die thematisch gebundene Rednerliste fest in der Hand, über die Reihenfolge und die letzte Auswahl entscheiden wir unmittelbar vorher. Schabowski darf aus Höflichkeit gegenüber der Partei sprechen.“

Diese Bemerkung zielt in die Richtung von Partei und Staat, deren Repräsentanten sich bemüht hatten, die Demonstration für die SED umzufunktionieren. Ost-Berlins Oberbürgermeister Krack hatte sich genauso um seinen Auftritt gebracht. Am Donnerstag hatten Krack und unter anderen der Vorsitzende der Gewerkschaft Kunst, Herbert Bischoff, öffentlich „Berlins Bürger“ zu einer „friedlichen Manifestation“ aufgerufen. Dagegen protestierten die „beauftragten Vertrauensleute für die Protestdemonstration“ mit einem Schreiben, das in Ost-Berlin nur in der LDPD-Zeitung 'Der Morgen‘ abgedruckt wurde. Die Unterzeichner kritisieren, daß die „in unserer Verantwortung vorbereitete friedliche Protestdemonstration“ durch den OB-Aufruf zu „einer friedlichen Manifestation umfunktioniert“ werde.

Einzelheiten zur Demo konnte 'adn‘ nicht mitteilen. „Wissen Sie, die Lage hat sich verändert“, so ein 'adn'-Kollege zur taz, „früher wußten wir meist noch vor dem Veranstalter, wer auf einer Kundgebung spricht. Heute teilen die uns nur noch dann etwas mit, wenn sie es für nötig erachten.“ Konfusion auch bei der SED. Eine Dame in der „Telefonzentrale beim Zentralkomitee“: „Ja, wenn Sie wissen daß Schabowski und Krack sprechen, dann wissen Sie ja schon alles.“ Doch verbindet die Kollegin hilfsbereit mit „Apparat 42“, einer Frauenstimme, die weder Namen noch Funktion preisgibt. „Hier spricht Apparat 42, ich kann Ihnen nicht helfen. Rufen Sie mal bei der Presse an.“ Gemeint sind 'adn‘ und Zeitungen, die aber nicht schlauer sind als Apparatschika 42. Kommentar auf Seite 8