Feuergefecht im Kosovo

Mindestens zwei Tote bei Auseinandersetzungen nationalistischer Albaner mit serbischen Sicherheitskräften / Beobachter befürchten weitere Eskalation  ■  Von Roland Hofwiler

Berlin (taz) - Im Süden Jugoslawiens wird seit Donnerstag nacht wieder scharf geschossen. Mindestens zwei Tote gab es allein in der Hauptstadt der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo, Pristina, als Sondereinheiten der Polizei massiv gegen militante albanische Demonstranten vorgingen. Über die näheren Umstände gibt es mehrere unterschiedliche Versionen.

Nach dem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ vom Freitag morgen hatten sich vier Albaner in einem Keller verschanzt und ein Feuergefecht mit der Polizei aufgenommen und waren dabei getötet worden. Dagegen sprach der Innenminister der Provinz, Jusuf Karakusi am Freitag von nur zwei toten Albanern, die nach einer mehrstündigen Schießerei getötet worden waren.

Andere der taz bekannte Quellen jedoch gehen von harten Repressionsmaßnahmen der Sicherheitskräfte aus, nachdem es seit dem Donnerstag in mehreren Orten des Kosovos zu Demonstrationen der albanischen Minderheit gekommen war. Ein albanischer Informant sprach sogar von zwölf Toten, die es bei der Schießerei gegeben haben soll. Die Redaktion der einzigen albanischsprachigen Zeitung 'Rilindija‘ konnte diese Informationen allerdings nicht bestätigen. Journalisten dieser Zeitung ist der Zutritt zum Ort der Geschehnisse nicht erlaubt.

Aktueller Anlaß der Auseinandersetzungen ist der Prozeß gegen den ehemaligen Parteichef der Region, Azem Vlasi, und vierzehn weitere Mitangeklagte aus der Parteispitze, die als Anstifter der Massenstreiks im März dieses Jahres und als „Konterrevolutionäre“ verurteilt werden sollen.

Seit Anfang dieser Woche gleicht die Region Kosovo einem Heerlager. So berichtet ein Reporter des slowenischen Politmagazins 'Mladina‘, die Bergarbeitersiedlung Stari Trg sei von Panzern umstellt und Journalisten generell der Zutritt verboten. Die Kumpel dürften die Siedlung nicht mehr verlassen.

Der Einsatz von Panzern werden ebenfalls aus Lipjan, Urosevac und Podujevo gemeldet, wo es nach bisher unbestätigten Berichten zufolge Anfang der Woche zu zwei Todesfällen gekommen ist, als Polizisten auf einen Demonstrationszug mit 5.000 Menschen das Feuer eröffneten.

In der Beurteilung des Konflikts im Kosovo ist die Öffentlichkeit in Jugoslawien tief gespalten. Während in Serbien und in Montenegro weiterhin gegen die Albaner zu Felde gezogen wird, forderten über eine Million Bürger in den nördlichen Republiken Kroatien und Slowenien das Ende der „repressiven Politik des Staates gegenüber der albanischen Minderheit“, die Freilassung Hunderter Inhaftierter und die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die den zahlreichen Todesfällen während der Haft nachgehen soll.

Eine für heute geplante Großkundgebung in Ljubijana wurde von der Parteiführung Sloweniens wieder abgesetzt. Begründung: Provokateure könnten den Vorwand für eine noch schärfere Gangart gegenüber den Albanern schaffen. Doch in Bonn wird ab elf Uhr auf dem Münsterland gegen die Repression im Kosovo demon striert. Kommentar auf Seite 8