„Ich bin eine weiße, deutsche, nicht-jüdische Frau“

■ Überregionale Tagung „Frauen und Rassismus“ in Bremen: Verletztheit und Kraft bei den einen, Ignoranz und Schuldgefühle bei den anderen

Die Tagung im Bürgerhaus Vahr hieß „Frauen und Rassismus“. Blauäugig betrachtet, hätte eine Tagung mit diesem Thema ein Forum bieten können, in der jede Teilnehmerin, unabhängig von Hautfarbe oder Konfession, auf ihren versteckten Rassismus zu sprechen kommen kann:

Die christlich-weißen deutschen Eingeborenen hätten erzählen können von der übertriebenen Freundlichkeit, mit der sie AusländerInnen behandeln, von der Sozialarbeit, mit der sie ihre ausländischen Schwestern bemuttern und bevormunden, oder von ihren rassistischen Gefühlen gegenüber - beispielsweise - türkischen Männern und polnischen AussiedlerInnen. Die anderen, sie hätten reden können von ihrem Haß auf die „bis heute faschistischen Deutschen“, aber auch von ihren anerzogenen rassistischen Gefühlen gegenüber

-beispielsweise - Indios (Zentralamerika) oder KurdInnen (Türkei). Doch die Zeit für einen solchen gleichberechtigten Austausch war und ist nicht da. Zuviel Verletztheit und Verbitterung bei den „schwarzen“ und den jüdischen Frauen, zuviel Ignoranz und lähmendes Schuldgefühl bei ihren „weißen“ Schwestern (Diese politische „schwarz„/„weiß„ -Begrifflichkeit wurde von der holländischen Anti-Rassismus -Bewegung übernommen, wobei unter „schwarz“ alle nicht -weißen Frauen zusammengefaßt sind: die koreanischen Studentinnen, die Töchter türkischer Einwandere

rInnen, die afro-deutschen Frauen, die libanesischen Flüchtlingsfrauen usw.).

Ein tiefgehender Riß klaffte auf der fünftägigen Tagung zwischen „weiß“ und „schwarz“. Die selbstbewußt vorgetragene Kritik der „schwarzen“ und der „jüdischen“ Frauen, die oftmals schroff-anklagende Form dieser Äußerungen und die Art der „weißen“ Frauen, mit dieser Kritik umzugehen, erinnerten oft in geradezu grotesker Form an die Gefechte, die sich „weiß„-feministische Frauen einst mit ihren Männern geliefert hatten. Da sagten „schwarze“ Frauen, daß sie es langsam satt hätten, den „weißen“ Schwestern immer wieder zu erzählen, wie sie diskriminiert würden, ihnen immer wieder Informationen und Anstöße über alternativ-deutsches rassistisches Verhalten zu geben, ohne daß sich etwas ändere und ohne, daß die „Weißen“ aus der Rolle der Zuhörerin herausträten, bereit wärenuschonunlosenKonfrontation und auch zum Verzicht auf Privilegien (vor alleFm Stellen). „Ich will endlich auch mal die andere Seite hören“, diese Forderung wurde wieder und wieder von ZuwanderInnen und von Jüdinnen erhoben.

Die „weißen, christlichen“ Frauen reagierten nicht viel anders als einst „ihre“ Männer: Sie gingen ans Mikrophon und schlugen höflich-ausweichend vor, „eine andere Form der Diskussion zu suchen“. Oder sie gingen ans Mikrophon, wie es zum Glück

aber nur eine tat, und hinterfragten in aller Unschuld die Autonomie-Bestrebungen ihrer rassisch-unterdrückten Schwestern: „Ich verstehe gar nicht, warum sich die ausländischen Frauen den ganzen Samstag nur unter sich treffen wollen...?“

Es gab aber auch noch eine andere Variante des Reagierens, und die wäre früher den „Softies“ zugeschrieben worden. Nämlich die, sich ganz schnell den neuen Anforderungen anzupassen. Nachdem hinreichend klar gestellt geworden war, daß „deutsche Frauen“ eben nicht nur weiß und christlich sein können, sondern auch „afro-deutsch“, „schwarz“ oder/und „jüdisch“, übernahmen viele DiskussionsrednerInnen diese Differenzierungen sofort als Beschreibung ihrer Identität. Traten sie ans Mi

krophon, stellten sie sich nur noch so vor: „Ich bin eine weiße, deutsche, nicht-jüdische Frau.“ Eine der jüdischen Teilnehmerinnen („Ich find's schön, daß Ihr mal einen Zorn fühlt“) ging noch weiter, forderte die „weißen, deutschen, nicht-jüdischen“ Frauen auf, sich doch um der Klarheit willen „Arierin“ zu nennen. Und tatsächlich, eine der Angesprochenen trieb die Selbstverleugnung so weit, daß sie sich zu Beginn ihres Redebeitrags vorstellte mit: „Ich spreche als arische Frau.“

Es waren bezeichnenderweise nicht die „weißen, deutschen, arischen, nicht-jüdischen Frauen“ vor den Mikrophonen, sondern die „schwarzen“ und die „jüdischen“, denen auffiel, wie verdächtig schnell und bruchlos diese „Deutschen“ die neuen Ad

jektive benutzten.

Die Sprachlosigkeit, die Tendenz zur Selbstgeißelung unter den „weißen“ Frauen rührte nicht nur daher, daß sie sich bisher wenig mit der Thematik auseinandergesetzt hatten, sondern auch aus den so tiefen wie unverarbeiteten Schuldgefühlen gegenüber den Frauen aus den unterentwickelt gehaltenen Ländern und gegenüber den Jüdinnen. Hinzu kam, wie eine freimütig bekannte, die Angst, etwas Falsches zu sagen, sich zu verraten.

Manche „weiße“ Frauen gestanden unter vier Augen neidvoll ein, daß die Ausländerinnen und Jüdinnen „in der Diskussion doch schon weiter sind“. Eine Iranerin

2sprach den umgekehrten Gedanken in der Abschlußrunde offen aus: „Die deutschen Frauen sind noch nicht soweit.“

Doch auch unter den „weißen“ Frauen brachten die „schwarzen“ Anklagen Nachdenkliches hervor. In der Gruppe, wo sie zum ersten Mal gezwungenermaßen unter sich über ihren Rassismus diskutierten, bekannten viele vergangene Versäumnisse. Die Idee, Stellen zwischen „schwarz“ und „weiß“ zu quotieren, begann sich durchzusetzen. Und auch die taz-Reporterin begann sich mehr und mehr zu fragen, warum in ihrer Redaktion keine „schwarze“ Frau sitzt.

Barbara Debus