„Gropi Show“ mit Gogo-Girls und Playback

■ TV-Studio-Ferienaktion in der Gropiusstadt: Wenn Kinder Fernsehen machen dürfen, dann bleibt alles, wie es ist, weil die Kids brav zeigen, was sie von den Erwachsenen in der Glotze gelernt haben

Klar, ins Fernsehen gehören Krawatten. Björn Scheer sitzt zum ersten Mal in einem Nachrichtenstudio - und hat sich folgerichtig stilecht einen Schlips umgebunden. Der Elfjährige schiebt immer wieder das Mikrophon auf die richtige Position, ordnet immer wieder die bunte Krawatte, zieht immer wieder sein Jackett straff. In ein paar Minuten wird er erst „auf Sendung“ gehen, aber der Schweiß steht ihm jetzt schon auf der Stirn. Der Teenie war noch nie vor einer Kamera, und ist „deshalb auch so aufgeregt“.

Er ist in den Herbstferien zusammen mit 80 anderen Kids seines Alters in das „Kinderclubhaus Gropiusstadt“ gezogen, um in der „Videofabrik“ Fernsehen einmal selbst zu machen. Täglicher Höhepunkt der zehntägigen Veranstaltung: die einstündige Gropi TV Show.

Nachrichtensprecher Björn fummelt immer noch an Mikro, Krawatte und Jackett 'rum. Während der Regieleiter, ein Pädagoge, dem Jungen an der Kamera zwei letzte Fehler bei der Kameraführung erklärt, toben vor der Studiotür bereits Teenies in bester Ferienstimmung. Die Tür öffnet sich. Das pubertäre Publikum erstürmt die Plätze, ein Musik-Jingle verbreitet Tieffliegerlärm, ein erwachsener Moderator springt auf die Bühne - Applaus. Die Jugend will Action.

Und weil auch Kinder den eindruckvollsten Effekt immer noch mit dem einfachen Mittel des „Playbacks“ erreichen können, dominieren in der Gropi TV Show lauthämmernde Disco -Schlager, bei denen grell buntgeschminkte Gogo-Girls den Hintergrund für herumhampelnde Teeniestars liefern. Nach dem eher abgefuckten Schlagerohrwurm „Da steht ein Pferd auf'm Flur“ ist dem zwölfjährigen Michael Schliesser, der zum Song seine Lippen simultan bewegte, der Applaus des gleichaltrigen Publikums sicher. Warum Michael selbst so begeistert von seinem Auftritt ist, ist nicht so schwer zu erklären, wenn man weiß, daß ihm zu Hause zwei Farbfernseher und „nur ein“ Videorecorder zeigen, wie Erwachsene täglich Fernsehen machen. Und nun darf er es selbst - und zeigt, was er vor der Glotze „gelernt“ hat. Glaubt man ihm, dann macht er sogar seine Schularbeiten, während es in der bunten Flimmerkiste rauscht und knallt. Und einschlafen kann er nur nach TV-Serien wie Knightrider oder Kampfgeschwader 214.

Michael hat in der „Videofabrik“ auch einen eigenen Film gedreht. Handlung: Beim Billiardspielen wird er erst weggeprügelt, gewinnt dann aber doch beim Spiel mit dem Queueu (sprich: Kö). Die geschminkte Verletzung an seiner rechten Schläfe zeigt er jedem stolz. Die Kritik des Zwölfjährigen an den selbstgedrehten Filmen in der „Videofabrik“: „Die Bildqualität ist schlecht und der Schnitt auch, außerdem lassen die Kinder sich nichts einfallen.“

Auch die elfjährige Myriam Becker hatte zu Hause genug Gelegenheit mit dem Fernseher und dem Viderecorder zu verfolgen, wie Fernsehen gemacht wird. Sie tanzt erst als Gogo-Girl auf der Bühne der Gropi Show und kurz danach selbst als Popstar. Und sie tanzt im Live-Studio genauso gut, wie das Vorbild bei ihr zu Hause in der Glotze. Sie war übrigens für die „Videofabrik“ als Gast bei den erwachsenen Medienmachern. Bei Berlin heute abend des SFB hat sie festgestellt, daß sich das Kinderfernsehen in der Gropiusstadt nicht vom Geflimmer in dem Kasten unterscheidet, vor dem man „in der ersten Reihe sitzt“. „Bis auf, daß die so große Scheinwerfer an der Decke haben und so große Kameras“, sagt Myriam beeindruckt.

Dirk Wildt