Südafrika-betr.: "Ein historischer Tag für den ANC", taz vom 30.10.89

betr.: „Ein historischer Tag für den ANC“, taz vom 30.10.89

Alle politischen Gefangenen des Apartheidregimes sollen/müssen ehrenhaft begrüßt werden, insbesondere nach einer so langen Haftstrafe, denn das Regime hat alle zu Unrecht verurteilt. „Ein historischer Tag für den ANC“, wie er von Hans Brandt beschrieben wurde, war weit entfernt von der ehrenhaften Begrüßung. Hier wurde wieder eine sektiererische Politik betrieben. Japhta Masemola, Mitglied des Pan Africanist Congress of Azania (P.A.C. von Azania „Südafrika“), einer der ersten, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, also vor Nelson Mandela, Goven Mbeki, Walter Sisulu etc., ist mit Sisulu und den anderen gleichzeitig aus Robben Island entlassen worden, aber dies war der taz keine Nachricht wert. (...)

Das einzige, was historisch an dem Theater am Wochenende war, ist die eindeutige Annäherung zwischen der südafrikanischen herrschenden Klasse und der Führung des ANC, „der größten Befreiungsbewegung des Landes“. Warum die Annäherung, was hat sich geändert? Eindeutig kann hier festgestellt werden: die Rassisten sind die alten geblieben. De Klerk will die Vierte Kammer einberufen, das heißt nicht nur „Mischlinge“ und „Inder“, sondern „Schwarze“ werden auch demnächst als Junior-Partner an dem ausbeuterischen Apartheidregime mitwirken.

Das Regime setzt seine Massenverhaftungen, Todesurteile, Hinrichtungen und Einschüchterungen fort. Zum Beispiel verhinderte das Apartheidregime eine nicht vom Regime genehmigte Arbeiter-Demonstration am Samstag gegen das neue Arbeitsgesetz. Dagegen ist ein kontinuierlicher konzilianter Ton von der ANC-Führung festzustellen. Ständig weicht der ANC vom bewaffneten Kampf ab, setzt sich mehr und mehr für Verhandlungen mit dem Apartheidregime ein. Die ANC-Führung verhält sich, als ob Lancaster-House-Zustände (wegen des bewaffneten Kampfes der Volksmassen von Zimbabwe wurde das Rassistenregime von Ian Smith in Rhodesien an den Verhandlungstisch gezwungen) oder die UNO-Resolution 435, das letztere betrifft Namibia, bevorstünden. Dies trifft nicht zu.

Es gibt externe Faktoren, die den ANC an den Verhandlungstisch zwingen. Die Sowjetunion galt bis vor kurzem als verläßlicher Waffenlieferant des ANC, hat aber inzwischen ihre Politik bezüglich des südlichen Afrikas grundlegend geändert. (...) Führende Mitglieder der KPdSU haben sich unmißverständlich gegen den bewaffneten Kampf im besetzten Azania geäußert. In diesen Kreisen gilt der ANC als eine der erfolglosesten Befreiungsbewegungen. Es ist bekannt, daß die neue Außenpolitik der UdSSR die sogenannten regionalen Konflikte reduzieren will. Aus der Sicht der UdSSR gelten Auseinandersetzungen in Südafrika als regionaler Konflikt und sollen friedlich „gelöst“ werden. Imperialismus und Kolonialismus werden vollkommen außer acht gelassen. Die Azanier sind auf sich selbst gestellt.

In dieser bedauerlichen Situation suchte der ANC neue Verbündete. Statt mit revolutionären Organisationen des Landes (...) zusammen zu arbeiten, schaffte derANC „einen großen Sprung nach vorne“ und führte viele Gespräche mit den größten Kapitalisten des Landes. (...)

Die ANC-Führung hat sich mit den Mächtigsten in der südafrikanischen Politik getroffen. Daher kann der „historische Tag für den ANC“ kein Ausdruck der Stärke der „größten Befreiungsbewegung des Landes“ sein'noch der Stärke des Einflusses des ANC unter den Unterdrückten und Ausgebeuteten, sondern ist Ergebnis der Marathongespräche zwischen den Rassistenwortführern und der ANC-Führung. (...)

Sipho Mathebula, Hamburg