Schlechte Karten im Vorverkauf

■ Bremer Fans wollen endlich eine gute Mannschaft sehen / Europapokalspiel ausverkauft

Studium E-Technik unter freiem Himmel. Der angehende Ingenieur wälzt seine Schaltpläne im Stehen. Tatort: Weser -Stadion Bremen. Die allmorgendliche taz wird von einem Wartenden brüderlich in zwei Teile geteilt und an den Hintermann weitergegeben. Fiddi, Schlosser und Fußball-Fan in Personalunion, hat sich einen Tag Urlaub genommen und wartet bereits seit zwei Stunden. Er foto

Foto: Wolfram Steinberg

hat ungefähr noch 150 Meter Menschenschlange vor sich, bevor er zum Quell der Freude am Kassenhäuschen anlangen wird. An diesem Montagmorgen trifft man sämtliche Inkarnationen der Fußballbegeisterung aus Bremen und umzu.

SchülerInnen schwänzen die Schule, StudentInnen versäumen die Vorlesungen, Bundeswehr-Soldaten sind kurzfristig desertiert (in Uniform!), der Innensenator gibt die ersten Lebensmittelkarten... Nein. Stop! Bleiben wir bei der Wahrheit: Gestern morgen begann und gestern vormittag endete der Vorverkauf für das UEFA-Cup Spiel Bremen gegen Neapel.

Vierzig Fans hatten im Bereich der Westkurve genächtigt, um sich Karten für die Nikolaus-Fußballausgabe der laufenden Saison zu sichern. Drei Streifenwagenbesetzungen und vier Werder-Wächter mit ebensoviel Hunden sorgten dafür, daß die Fans, die zu Tausenden erschienen waren, nicht drängelten und alles seinen gerechten Gang nahm. Maximal vier Karten pro Person konnten die Fußballfiebrigen kaufen, damit der Schwarzhandel nicht Überhand nehme.

Um neun Uhr öffnen die Häuschen, um elf Uhr verbreitet sich das Gerücht, daß die Karten knapp würden. Gegen 11.15 Uhr nähert sich ein Streifenwagen mit Blaulicht den dichtbedrängten Kassenhäuschen an der Westkurve. Dem Fond entspringen dienstbeflissen zwei Polizisten, die sich an der Wagentür zum

Spalier aufstellen: Auftritt dramatis persona Willy Lembke, gestern der wichtigste Mann zwischen Bremen und Neapel. „Willy, gibt's noch Karten?“ wird der gestreßte Manager von den Fans überfallen, und weil ihm schon ein tiefes Loch im Bauch klafft, zuckt er nur noch hilf- und ratlos die Achseln: „Jungs, ihr seht doch, wir reißen uns den Arsch auf. Mehr können wir nicht tun.“

25.000 Karten hatte Werder für den Vorverkauf freigegeben. foto

Foto: Wolfram Steinberg

10.000 werden für Dauerkartenbesitzer reserviert, 5000 gehen nach Neapel. Doch das reichte bei fot

weitem nicht aus, um den Karten

hunger der Fans zu stillen.

Wolfgang Barkhausen, Geschäftsführer bei Werder: „Wir hatten mindestens 90.000 Bestellungen. Einen derartigen Andrang hatten wir nicht einmal beim Vergleich mit dem AC Mailand und für das Pokalfinale in Berlin.“

Gegen 11.30 Uhr werden an die Wartenden auch noch die Karten abgegeben, die sich die KPS-Vorverkaufskasse bei Karstadt von der Geschäftsstelle hatte zurücklegen lassen. Dort hatte man die Kunden mit der Auskunft vertröstet, die Karten würden zwischen 12.30 und 13.00 Uhr bei der Vorverkaufsstelle eintreffen. Nachdem sich die Fans den halben Vormittag vor dem Tresen herumgedrückt hatten, teilte man ihnen schließlich mit, daß das Spiel bereits ausverkauft sei.

Hunderte zogen enttäuscht und ohne die erhoffte Eintrittskarte ab. Die Ordnungskräfte hatten trotzdem einen ruhigen Vormittag und sogar tröstende Worte für die, die am Kartensegen keinen Anteil mehr haben konnten: „Bald kommt wieder Waldhof, da könnt ihr dann gnadenlos zuschlagen“, bemitleidete ein sachkundiger Ordnungshalter die letzten der Schlange.

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