Trinkwasser nur „abstrakt“ bedroht?

■ Die Sperrung der Havelchaussee sorgt für Ärger im Senat / Verkehrsverwaltung hat „juristische Bedenken“ gegen die Pläne von Umweltsenatorin Schreyer

Die bisher von SPD und AL einvernehmlich geforderte Sperrung der Havelchaussee scheint nun zum Streitfall im Senat zu werden. In der Umgebung von Verkehrssenator Wagner (SPD) wurde gestern auf juristische Bedenken hingewiesen, die ein Beamter der Senatsjustizverwaltung gegen die Sperrungspläne von Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) aufgebracht hat. „Wir teilen diese Bedenken“, hieß es in der Verkehrsverwaltung. Ein Sprecher von Justizsenatorin Limbach (SPD) lehnte es dagegen ab, sich zu dem Thema zu äußern, solange die „senatsinterne Beratung“ nicht abgeschlossen sei. Am vergangenen Dienstag hatte der Senat seine Diskussion über die Havelchaussee um zwei Wochen vertagt. Schreyer soll nun die Bedenken prüfen, bevor ihr Bericht dem Abgeordnetenhaus vorgelegt wird.

Schreyer begründet die Notwendigkeit einer Sperrung der vielbefahrenen Ausflugsstraße mit der Sorge um das Trinkwasser. Über mehrere Kilometer liegt die Havelchaussee in der Nähe von im Boden verborgenen Trinkwasserbrunnen. An zwei Stellen, dem Postfenn im Norden und in der Nähe des Großen Fensters im Süden, führt die Straße direkt an den Brunnen vorbei. Eine Verseuchung des Trinkwassers sei eine reale Gefahr, hatte schon 1987 ein unter Ex-Umweltsenator Starnick (FDP) erstelltes Gutachten gewarnt.

Nicht nur dem Regierenden Bürgermeister Momper unterstellen Beobachter, er sei von der Sperrungsidee trotz allem nicht überzeugt. Auch nach Ansicht eines Beamten in der Behörde von Justizsenatorin Limbach sind Schreyers Argumente „zu abstrakt“. Die Gefährdung des Trinkwassers durch den Autoverkehr müsse konkret belegt werden: „Schreyer muß Gründe nachliefern.“ Daß die Autos mit Ölresten das Trinkwasser gefährdeten, sei eine bloße „Behauptung“, hieß es gestern unterstützend in der Verkehrsverwaltung. Solange es lediglich um potentielle langfristige Gefahren ginge, zwinge der „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“ dazu, auf eine Sperrung der Straße zu verzichten. In der Verkehrsverwaltung zeigte man sich „etwas betrübt, daß die Umweltverwaltung diese wichtige Frage nicht so fundiert geprüft hat“. Schließlich sei es sehr wahrscheinlich, daß die betroffenen Restaurantbesitzer oder „kinderreiche Familien“ gegen die Sperrung vor Gericht ziehen würden.

Mittlerweile hat die für den Wasserschutz zuständige Abteilung der Umweltverwaltung eine Antwort auf die Bedenken von Justiz- und Verkehrsbehörde formuliert. „Konkrete Gefahren“ für das Trinkwasser, dem „überragende Bedeutung“ zukomme, können die Wasserschützer „bestätigen“. Eine Teilsperrung reicht nach Ansicht der Umweltbeamten nicht aus, weil die Straße an zwei verschiedenen Stellen die Brunnen berührt. Es gebe „keine milderen Mittel“ als die Vollsperrung, um das Trinkwasser zu schützen, heißt es bedauernd. „Es muß sofort nach Möglichkeit alles getan werden“, bestätigte gestern Landschaftsplaner Clemens Szamatolski auf Anfrage der taz. Er hatte das Gutachten verfaßt, auf das sich die Umweltverwaltung beruft. Szamatolski erinnerte daran, daß einige Kilometer der Havelchaussee nach heutigem Wasserschutzrecht gar nicht existieren dürften: In der Nähe von Trinkwasserbrunnen ist der Bau von Straßen nämlich verboten.

hmt