Universität der Studierenden-betr.: "Möllemann im Uni-Krampf", taz vom 1.11.89

betr.: „Möllemann im Uni-Krampf“, taz vom 1.11.89

Gesellschaftliche Utopien und Entwürfe brauchen die Universitäten und Hochschulen als Orte, an denen gelebt und gelernt wird. Es geht bekanntermaßen nicht allein um materielle Verbesserungen, zusätzliche Stellen, die Erhöhung der Anzahl von Studienplätzen, den Abbau von Zugangserschwernissen und um die Verbreiterung des Zugangs.

Sinnvolle Hochschulpolitik hebt die Trennung zwischen Technik- und Sozialwissenschaften auf. Universitäten und Hochschulen dürfen weder zu Museen noch zu Denkfabriken werden, sondern müssen soziale Lernorte sein, an denen die Studierenden Einsichten in gesellschaftliche, ökologische und politische Abläufe, in technologische Risiken und soziale Nöte gewinnen. Mit neuen Formen und Inhalten in Lehre, Forschung und Studium müssen die Studierenden Gelegenheit zur Erprobung finden. Die Uni ist für die Studierenden da - nicht umgekehrt.

Die Misere an den Universitäten und Hochschulen in der Bundesrepublik und unseren Nachbarländern zeigt die Notwendigkeit, gemeinsam unsere Begriffe von Lehre, Forschung, Wissenschaft und Gesellschaft zu beschreiben und zu durchdenken. Denn die Lust am Lernen wirkt der geistigen Verflachung und der sozialen Isolation in unserem Land entgegen und stiftet so den kulturellen Fortschritt, den wir alle nötig haben.

Andre Beßler, Uni Bremen