Erster schwarzer US-Gouverneur?

Wahlen in Virginia: Douglas Wilder, Demokrat und Abtreibungsbefürworter, liegt vorne  ■  Von Silvia Sanides

Douglas Wilders Großvater war Sklave auf einer Plantage nördlich von Richmond, der Hauptstadt des Bundesstaats Virginia. Heute werden die VirginierInnen Douglas Wilder mit großer Wahrscheinlichkeit zu ihrem Gouverneur wählen - dem ersten schwarzen Gouverneur in der Geschichte der USA. Mit mehr als zehn Punkten, dies ergaben die jüngsten Meinungsumfragen, liegt der Demokrat und jetzige Vize -Gouverneur vor seinem republikanischen Gegner. Wilder, so scheint es, wird Geschichte machen. Doch nicht Wilder als schwarzer Kandidat stand im Vordergrund, sondern Wilder, der moderate Demokrat, der in Virginia, der einstigen Hochburg der konservativen Südstaaten, Stimmen wegen seines Eintretens für die Abtreibungsfreiheit einheimste.

Seine Vergangenheit in der Bürgerrechtsbewegung versuchte der grauhaarige Mann tunlichst nicht zu erwähnen. Auch jeden Kontakt mit Jesse Jackson, dem früheren schwarzen Präsidentschaftskandidaten, vermied Wilder. „Jesse“, so Wilders vielzitierter Ausspruch, „kandidiert, um zu inspirieren. Ich, um zu gewinnen.“ Ein Kreuzzug unter Schwarzen hätte Wilder auch nicht weit gebracht, denn Virginias Bevölkerung ist zu 85 Prozent weiß. Hier dominieren die meist jungen Angestellte, die die ständig wachsenden Suburbs von Washington, Richmond und Virginia Beach bewohnen. In Wirtschaftsangelegenheiten sind diese Yuppies konservativ, doch sie sind liberal, wenn es um persönliche Freiheiten geht. Und eine dieser Freiheiten, die die AmerikanerInnen immerhin seit 16 Jahren genießen, ist dieser Tage in Gefahr: die Abtreibungsfreiheit. Douglas Wilder hat sich für deren Beibehaltung ausgesprochen, sein Gegner ist im Einklang mit Präsident Bush.

Die Abtreibungsfrage hat den Wahlkampf in Virginia beherrscht und die WählerInnen in Wilders Lager gebracht. Viele werden nur aufgrund der Abtreibungsfrage für Wilder stimmen. Zu ihnen gehören nicht wenige, die traditionell republikanisch wählen. Bei Frauen hat Wilder einen Vorsprung von 20 Prozent. Dennoch kann er seiner Sache nicht sicher sein. Die Hautfarbe eines Kandidaten mag bei Umfragen angeblich keine Rolle spielen, doch siegt im stillen Wahlkämmerlein noch oft der Rassismus. Geht es Wilder wie anderen schwarzen Kandidaten, dann werden nach Ansicht von Wahlkampfleiter Ellis Holmes zwischen fünf und zehn Prozent der WählerInnen gegen ihn stimmen, und das nur, weil er schwarz ist.