Staatssicherheit schon immer dafür

Bischof stürzt über Honecker / Scowcraft: Nur eine deutsche Nation / Grenzanlagen nach wie vor überwacht / 2,2 Tonnen Marmelade für Schweinemästung  ■ E R E I G N I S D D R

Die Reform in der DDR kann nun als gesichert gelten: Rudi Mittig, Generaloberst und stellvertretender Minister für Staatssicherheit, versicherte gegenüber dem 'ND‘, sein Ministerium sei uneingeschränkt für Umgestaltung und Reformen. Skeptiker entwaffnet er mit der Feststellung, die Notwendigkeit der Wende habe sich mit der Einschätzung seines Ministeriums gedeckt. Kein Opfer der Stasi, aber der Synodalen wurde der Greifswalder Bischof, Horst Gienke. Er hatte nichts geringeres vollbracht als Erich Honecker zur Einweihung des Greifswalder Domes im Juni zum ersten Mal in seinem Leben zu einem Gottesdienst geholt zu haben. Sein missionarischer Eifer wurde ihm nicht gelohnt, denn im Anschluß pries er die DDR-Medien ob ihrer sachgerechten Berichterstattung und hatte für die hauseigenen Blätter beiderseits der Grenze nur Tadel parat. Nun muß er gehen, wie Erich. Einziger Trost: vor Gott sind beide gleich.

Nichts mehr zu befürchten hat dagegen der Intendant des Dresdner Staatsschauspiels, Gerhard Wolfram. Gegen ihn war ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden wegen seiner Inszenierung des Stückes von Christoph Hein „Ritter der Tafelrunde“. Schon im April wußte Hein: „Es herrscht Unmut am Hof, der sich vor der Bevölkerung in die Artusburg zurückgezogen hat und den alten, von einem Ideal erfüllten Zeiten nachtrauert.“

Noch scheinen 19.000 DDR-Bürger, die in den letzten drei Tagen die quasi offene Grenze der CSSR zum Wechsel nutzten, ihrer Heimat nicht nachzutrauern. Wenn ihnen die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit bekannt werden, könnte sich daran etwas ändern: Die Zahl der arbeitslosen DDR-Übersiedler ist im Oktober auf 61.700 gestiegen, das sind mehr als ein Drittel der seit Jahresanfang in die BRD gelangten DDRler. 150 DDR-Bürger nutzten die grenzenlose Freiheit für einen Kurzbesuch in der BRD via CSSR. Da der Weg über die Tschechoslowakei zurück in die DDR versperrt ist, nahmen sie direkt die deutsch-deutschen Übergänge. Ohne Probleme. In anderer Richtung machte sich ein einzelner auf. Zwischen Unterbreizbach/DDR und Philippstal/BRD versuchte er die Grenzanlagen zu überwinden. Nach Angaben des Grenzschutzes endete sein Crosslauf in den Armen der DDR-Grenztruppen. Wahrscheinlich ist es ihm ähnlich gegangen wie dem Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung des Großhandelskombinats in Frankfurt/Oder.

In der Gewerkschaftszeitung 'Tribüne‘ beklagte er die Mängel der Planwirtschaft. Mehr als 2,2 Tonnen Marmelade wurden demnach aus Gläsern gekratzt und anschließend als Schweinefutter weiter verwurstet. Ähnliche Klagen kamen auch aus anderen Betrieben. Mittlerweile sollen sich sogar Spirituosen in den Lagern häufen, die keine Abnehmer finden, aber den Produzenten abgenommen werden müßten. Schuld an allem sei die starre Planwirtschaft. Zum Weglaufen eben.

Ginge es nach dem Gusto des amerikanischen Sicherheitsberaters Brent Scowcraft könnten sich die Ost -Sozialdemokraten ihre Mühe sparen.“ Es gibt keine ostdeutsche Nation“, sagte der Berater, beide Staaten unterscheiden sich lediglich durch ihre politischen und wirtschaftlichen Systeme“.

khd