Frauen in der Politik - Ein Hindernislauf

■ Männervorstellungen setzen Grenzen / Studie belegt: Aktive, politisch interessierte und motivierte Frauen in den Parteien präsent

Frauen spielen in der Politik keine Rolle. Und wenn, dann höchstens eine untergeordnete. Rund 450.000 Frauen waren 1988 bundesweit in den politischen Parteien organisiert demnach sind nur ein Fünftel der Parteimitglieder weiblich. In den Bundesvorständen lag der Frauenanteil bei den Grünen im Jahr 1988 bei 54,5 %, in der SPD bei 36,4, in der CDU bei 23,3, in der CSU bei 13,6 und in der FDP bei 11,1 Prozent. Zur letzten Bundestagswahl kandidierten nur 685 Frauen rund ein Viertel der GesamtkandidatInnen, und die zumeist auf den unsicheren hinteren Listenplätzen. Als Direktkandidatin, wie Ilse Janz demnächst in Bremerhaven, werden sie höchst selten aufgestellt. Die Bremer Soziologin Beate Höcker wollte wissen, was wirklich dran ist, an den

Chancen und Barrieren von Frauen in der Partei. Ihre Erkenntnisse (zum Teil das Ergebnis ihrer für Bremen repräsentativen Untersuchung von 1982) referierte Beate Höcker in der Akademie für Arbeit und Politik.

Frauen sind nicht kompetent, lautete eine der Thesen, die sie überprüfen wollte. Frauen hätten Bildungsdefizite, kein Durchsetzungsvermögen und keine Argumentationsstärke. Doch Beate Höcker fand heraus: In der Bildungsstruktur der Parteimitglieder bestehen keine signifikanten Unterschiede. Aber: Während die männlichen Parteimitglieder voll erwerbstätig sind, sind es von den Frauen nur rund die Hälfte, davon ein Großteil in Teilzeitverträgen. Die Hälfte der Frauen im Bundestag, aber nur 9% der Männer sind ledig, verwitwet oder ge

schieden, Männer dagegen zu 83 % verheiratet mit Kind. Von den Frauen haben knapp 45 % neben der Parteiarbeit Familie zu Hause.

Auch daß Frauen nicht motiviert wären, konnte Beate Höcker nicht bestätigen: An Interesse und individueller Bereitschaft zum Aufstieg in der Partei mangelt es nicht. Außerdem werden je ein Viertel der weiblichen wie männlichen Mitglieder aktiv in ihrer Partei. Allerdings: Männer sitzen zu 62 % in Wahlkampfausschüssen, Programmkommissionen und ähnlich richtungweisenden Gremien. Frauen zeichnen sich zu 70 % durch regelmäßigen Versammlungsbesuch und das Kleben von Plakaten aus.

Beate Höcker hatte Bremer Parteimitglieder u.a. gefragt, was man tun solle, um Frauen

stärker zu beteiligen? Daraufhin hatten die Frauen die „Verwirklichung der gesellschaftlichen Gleichberechtigung“, die Männer jedoch lapidar die „Motivierung der Frauen“ gefordert.

Ein Indiz für Barrieren im politischen Frauenalltag fand Höcker mit Fragen nach der Kommunikation und den Kontakten der Parteimitglieder untereinander: Frauen sind auf die Parteiversammlungen angewiesen, fast 80 Prozent treffen sich nur dort. Männer führen dagegen andere Vereine, den Arbeitsplatz und Stammtische ins Feld, um Parteikontakte zu pflegen. Erneut zeigt sich, so Höcker, daß politische Entscheidungen an Stammtischen vorgetroffen werden, wo Frauen außen vor bleiben.

Eklatante Unterschiede fanden sich in den sachlichen Präferen

zen: Männer nennen die Wirtschaftspolitik an erster Stelle ihres Interesses, gefolgt von Sozial-und Außenpolitik. Frauenpolitik nannte kein einziger der repräsentativ befragten Männer in Bremer Parteien, Familienpolitik nur 0,3 Prozent. Frauen dagegen interessieren sich vorrangig für Sozialpolitik, dicht gefolgt von Umwelt- und Friedenspolitik. Wirtschafts-, Frauen- und Bildungspoltik nehmen bei den weiblichen Parteimitgliedern den gleichen Stellenwert (um 15 %) ein.

Unterschiedliche Auffassungen ließen sich auch aus den Motiven zum Parteibeitritt ablesen: Männer wollen vor allem politische Ziele durchsetzen und „verhindern, daß die andere Seite an die Macht kommt.“ Frauen dagegen gehen in die Partei, aus einem „Gefühl der Zugehörigkeit zur

Partei“, um den „gegenwärtigen Parteikurs zu unterstützen“ und um drittens den Kontakt zu politisch Gleichgesinnten zu pflegen. Nach einem politischen Amt oder gesellschaftlichen Vorteilen streben beide nur zuguterletzt. An einem Aufstieg in der Partei sind Frauen zu gut 20-, Männer zu knapp 30 Prozent interessiert. Ihnen fehle jedoch „aufgrund anderer Belastungen“ die Zeit. Es zeigte sich aber auch, daß fast ein Viertel der befragten Frauen bekundet: „Das würde ich mir nicht zutrauen.“ Dies geben dagegen nur 7,8 Prozent der Männer zu. Beate Höcker vermutet, daß Frauen zuwenig Übung haben im Umgang mit Öffentlichkeit. Karriere machen könnten sie - allein: Die Männer setzten die Bedingungen.

Birgitt Rambalski