Viel Geld für schlechte Aids-Betreuung

■ Umstrittene Aids-Station im RVK soll mit 300.000 Mark für Fortbildung gefördert werden / AL will das Geld zugunsten von Selbsthilfe-Projekten umschichten

Wegen der unzureichenden psychosozialen Betreuung von Aids -Patienten im Rudolf-Virchow-Krankenhaus (RVK) hat die AL die Streichung von 300.000 Mark an zusätzlichen Landesmitteln für die Klinik aus dem Haushalt 1990 gefordert. Die Mittel, die das RVK als einzige Berliner Klinik zum Zweck der Forschungsdokumentation und für die Fortbildung von Pflegepersonal und Ärzten erhält, sollten zugunsten von Aids-Selbsthilfeprojekten „umgeschichtet“ werden. Gesundheitssenatorin Stahmer (SPD) lehnt dies ab. Wegen „für Berlin erbrachter“ Forschungsleistungen seien die 300.000 Mark für das RVK „nötig“.

Die AL kritisiert vor allem die mangelnde Kooperation des RVK mit Aids-Selbsthilfeprojekten und eine „anti-schwule„ -Stimmung auf der Aids-Station. So habe der Leiter der Station, Prof. Pohle, den Selbsthilfeprojekten „für lange Zeit“ den Zugang zur Station untersagt. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und der Selbsthilfe-Pflege -Verein „HIV e.V.“ bemängeln, daß die Aids-Fortbildung des RVK-Personals „von Juli 1988 bis Juli 1989 mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht erfolgt“ sei.

Wie einem offenen Brief eines Angehörigen eines RVK -Patienten zu entnehmen ist, ist das Klima auf der Station eher von einem „möglichst reibungslosen Dienstverlauf“ geprägt, als von einem „Eingehen“ des Personals auf die Bedürfnisse todkranker Patienten. Ein behandelnder Arzt, dessen Aids-Patienten zum Teil im Virchow-Krankenhaus liegen, sprach gegenüber der taz von „anti-schwulen Ressentiments“ (Tenor: „Schwule wollen auch als Kranke nur das eine...“). Patienten würden durch Kleinigkeiten mürbegemacht. Die Patienten würden „schematisch statt individuell“ über ihren Zustand und ihre Behandlung aufgeklärt, und es würden „über die Köpfe von Patienten hinweg überflüssige und zu viele Untersuchungen“ vorgenommen.

Der AL-Abgeordnete Telge sprach in diesem Zusammenhang von einer „Abstimmung mit den Füßen“: Immer weniger schwule Patienten würden sich im RVK behandeln lassen wollen oder die Behandlung abbrechen und auf die anderen Kliniken ausweichen. So lägen momentan überwiegend FixerInnen im RVK, die meist nur schlecht in der Lage seien, „ihre Selbstbestimmung durchzusetzen“. Laut Telge sei nicht einzusehen, warum gerade das RVK mit seiner mangelnden psychosozialen Betreuung zusätzliche Landesmittel für die Einarbeitung und Fortbildung von Personal erhalten solle. Die drei anderen Kliniken, die Aids-Patienten stationär behandeln, das Auguste-Viktoria und die Kliniken Steglitz und Westend, leisteten Fortbildung und Einarbeitung von Personal „im Normalbetrieb“ ohne Zusatzmittel.

Gesundheitssenatorin Stahmer (SPD) hatte in der letzten Woche in einer Antwort auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Telge eingeräumt, daß sie das „psychosoziale Angebot des RVK und die Bereitschaft zur Kooperation mit ambulanten Betreuungseinrichtungen für verbeserungsfähig“ halte. Gegenüber der taz betonte die Senatorin aber, daß sie an den 300.000 Mark Zusatzmitteln für das RVK festhalte. Die psychosoziale Versorgung am RVK sei gegen die dort erbrachten Forschungsleistungen „nicht aufrechenbar“.

kotte