Schweizer Polizei sah tatenlos zu...

■ ...wie Anhänger der „Patriotischen Front“ ein Durchgangsheim für AsylbewerberInnen stürmten / Heftige Kritik an der Polizeiführung im Kanton Zug / Untersuchungsausschuß soll die Vorgänge klären

Zug (taz) - Etwa dreißig Anhänger der rechtsextremen Patriotischen Front sind am Sonnabend in Steinhausen im Schweizer Kanton Zug gewaltsam in ein Durchgangsheim für AsylbewerberInnen gestürmt und haben die Einrichtung teilweise zerstört. Nach der Generalversammlung ihrer „Vereinigung Rotkreuz“ im Kanton Zug waren Anhänger der rechtsradikalen Partei, angeführt von Marcel Strebel, dem Chef der Gruppe, mit Transparenten vor das Durchgangsheim in Steinhausen gezogen. Sie riefen ausländerfeindliche Parolen wie „Dreckstamilen“ und „Raus mit dem Pack“ und drangen dann in das Gebäude ein. Ein Sozialarbeiter, der sich den Randalierern entgegenstellte, wurde mit Fäusten traktiert. Die Rechtsextremen zogen nach einer Weile wieder ab, ohne daß Polizeikräfte, die etwa 150 Meter vom Tatort stationiert sind, eingriffen. Urs Hürlimann, Pressesprecher der Polizei im Kanton Zug, sagte zur taz: „Wir wollten keine Ausschreitungen provozieren. Nach einigen Minuten war alles vorbei. Die Mitglieder der Patriotischen Front waren sehr schnell weg.“ Inzwischen hat die Kantonspolizei Zürich zugegeben, Fehler gemacht zu haben.

Die Sozialistisch-Grüne Alternative (SGA) von Zug kritisierte das Vorgehen der Polizei scharf. Die Polizeiführung habe damit rechnen müssen, daß es zu Übergriffen komme. Sie forderte eine parlamentarische Untersuchungskommission über die Vorgänge. Kritik an der Polizeiführung kam auch von bürgerlicher Seite. Andreas Iten, Regierungsrat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und zuständig für Asylbewerber, erklärte, es sei unmöglich, daß die Polizei bei Ausschreitungen wie in Steinhausen nur zusehe. Er kündigte an, der Vorfall werde in der Zuger Kantonsregierung zur Sprache kommen. Gleichzeitig erstattete er Strafanzeige gegen die Patriotische Front wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Tätlichkeit.

Die Patriotische Front hatte in den vergangenen Monaten bereits häufiger für Aufsehen gesorgt. Verschiedentlich waren Asylbewerber aus Sri Lanka und der Türkei von Anängern dieser rechtsextremen Gruppe zusammengeschlagen worden. Und immer wieder hatten sie Wohnheime für AsylbewerberInnen beschädigt.

Marcel Strebel, der Führer der Patriotischen Front, war am 22.September zu einer Fernsehsendung zum Thema Rechtsextremismus eingeladen worden. Bei dieser Gelegenheit verbreitete er seine ausländerfeindlichen Parolen, was in der Schweizer Öffentlichkeit sehr kritisiert wurde. Strebel trat am Montag als Führer der Patriotischen Front zurück. Als Grund nannte er im Schweizer Rundfunk „gesundheitliche Probleme“.

Stephan Lichtenhahn