Entwicklungshilfe noch tabu

Das Ausbluten des kambodschanischen Volkes geht weiter und die Regierungen des Westens sehen zu. Die vom Westen betriebene politische und wirtschaftliche Isolierung der provietnamesischen Regierung von Ministerpräsident Hun Sen in Phnom Penh verhindert jede offizielle entwicklungspolitische Hilfe für das südostasiatische Land. Trotz des Abzuges der vietnamesischen Truppen vor wenigen Wochen wird sich daran nichts ändern.

Die Gründe dafür sind aus der Sicht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMWZ) und der des Auswärtigen Amtes einfach zu benennen. „In Phnom Penh gibt es keine Regierung, die wir anerkennen“, lautet die Antwort eines Sprechers des BMWZ. Und es bestünde auch kein Anlaß zur Hoffnung, daß sich daran in absehbarer Zeit etwas ändere.

Die Bundesregierung setzte wie alle EG-Staaten in den vergangenen Jahren bei der Kambodscha-Frage stets auf die Linie der ASEAN-Staaten. Darin wird in der alljährlich neu verabschiedeten UNO-Resolution eine gewaltfreie Lösung des Konflikts und der Abzug der Vietnamesen gefordert. Lediglich bei der Frage, wer den regulären Sitz der kambodschanischen Regierung bei den Vereinten Nationen innehaben solle, schieden sich in Europa die Geister. Trotz der Ablehnung der Roten Khmer sprach sich die Bundesregierung in der UNO bei der letzten Abstimmung über die sogenannte „Sitzfrage“ 1982 dafür aus, daß Pol Pots Schergen zusammen mit den beiden antivietnamesischen Guerillagruppen die rechtmäßigen Vertreter ihres Landes seien - und nicht etwa die Regierung Hun Sen, die von den Soldaten Hanois 1978 eingesetzt worden war, als sie durch ihren völkerrechtswidrigen Einmarsch den Terror Pol Pots beendete. Frankreich und die skandinavischen Länder hatten sich bei der „Sitzfrage“ damals der Stimme enthalten.

Bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen und der damit verbundenen Entwicklungshilfe liegen die Probleme ähnlich wie bei Vietnam. Für das Land, zu dem die BRD bereits diplomatische Beziehungen unterhält, gibt es drei Hindernisse, die den notwendigen Devisenstrom verstopfen: erstens den Abzug der vietnamesischen Soldaten aus Kambodscha, zweitens die Anerkennung der Berlin-Klausel und letztlich die Frage der Begleichung von Altschulden.

Seit Kambodscha 1969 unter Prinz Sihanouk die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik abbrach und im Gegenzug die mit der DDR ausweitete, gab es keine Entwicklungshilfe für das verarmte und von Krieg und Bürgerkrieg zerrüttete Land. Lediglich 28 private Hilfsorganisationen aus Europa, Japan und den USA unterstützen die sieben Millionen Kambodschaner, die das „Killing Field“ überlebt haben. Alle Hilfsorganisationen zusammen verfügen in diesem Jahr über ein Budget von 30 Millionen US-Dollar. Der Beitrag aus Bonn dazu war nicht mehr als ein Trostplaster.

Seit 1978 wurden dem Land 30 Millionen Mark aus dem Topf für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. 22 Millionen Mark flossen zusätzlich über private Träger und die Kirchen. 1989 kamen aus Bonn gerade 570.000 Mark - sicherlich nur ein Bruchteil der Gelder, die von der Volksrepublik China und den USA dem Widerstand für Waffen zugeschustert wurden. An eine offizielle diplomatische Beziehung zur provietnamesischen Regierung Hun Sen sei vorerst nicht zu denken, verlautete es aus dem Auswärtigen Amt. Vielmehr werde weiter auf eine Verhandlungslösung gesetzt. Die aber scheint in weite Ferne gerückt: Nach dem Scheitern der Pariser Kambodscha-Konferenz wird um die Zukunft Kambodschas auf dem Schlachtfeld im Dschungel gerungen. Und solange sich auch da keine Lösung anbahnt, wird es für Kambodscha keine offizielle staatliche Hilfe aus Bonn geben.

Jürgen Kremb