Statt auf der Straße spiele ich lieber im Kasino

■ Kudamm-Hütchenspieler steht wegen Diebstahl, Freiheitsberaubung und Körperverletzung vor Gericht / Angeklagter erlernte das Handwerk in seiner jugoslawischen Heimat / Hütchenspieler haben ihr Spielfeld aus der City auf den Polenmarkt verlegt

„König der Hütchenspieler festgenommen“, so hatte eine Gazette Anfang September geschlagzeilt, als der 39jährige Jugoslawe Ramadan N. in der Budapester Straße geschnappt wurde. Ramadan N. hatte seine Festnahme einem stämmigen Griechen zu verdanken: Jener hatte eine Weile beobachtet, wie ein Hütchenspieler drei kleine Schachteln und eine Kugel aus Staniolpapier am Boden tanzen ließ. Dann zückte der Grieche zehn Hunderter und stellte seinen Fuß auf eine der drei Schachteln, unter der er die Kugel vermutete. Da erwischte ihn ein Schlag, er taumelte zurück und war Tausend Mark los: Der Hütchenspieler hatte sie ihm aus der Hand gerissen und war davongerannt. Der Grieche trat sofort die Verfolgung an, mußte dabei aber mehrmals zwei Männer abschütteln, die ihn festzuhalten suchten. Trotzdem erwischte er den Spieler und forderte sein Geld zurück. Nicht lange, denn wieder wurde er von hinten gepackt, der Spieler konnte entkommen. Als sich der Grieche umdrehte, sah er Ramadan N., packte ihn und übergab ihn der Polizei überzeugt, daß er von diesem festgehalten worden war.

Seit gestern steht Ramadan N. vor der 22. Strafkammer des Landgerichts. Der Staatsanwalt wirft ihm gleich eine ganze Palette von Anklagen vor, die von Freiheitsberaubung, Diebstahl bis hin zur Körperverletzung und Nötigung reichen. Bis auf wenige Ausnahmen sollen die Taten stets im Zusammenhang mit Hütchenspielen auf dem Kudamm oder dem Flohmarkt begangen worden sein. In der Anklageschrift steht allerdings kein Wort davon, daß Ramadan N. nach Auffassung der Kripo „ein Drahtzieher“ der Hütchenspiele ist. „Der König ist er ganz sicher nicht, aber wir haben festgestellt, daß das Hütchenspiel auf dem Kudamm und Umgebung gleich Null ist, seit er in U-Haft sitzt“, sagte der Kripobeamte Koschny gestern auf Nachfrage zur taz. Dafür, daß die Hütchenspiele immer häufiger auf dem Polenmarkt stattfinden, wollte Koschny den Angeklagten nicht verantwortlich machen: Schließlich gebe es noch mehr Drahtzieher und weit über 100 Spieler, Anreißer - sie gewinnen immer - und Aufpasser, die insgesamt bis zu 50.000 Mark pro Woche kassierten. Das Spiel sei in fester Hand der Jugoslawen, und in der südjugoslawischen Stadt Skopje soll es sogar eine Schule für Taschenspielertricks geben.

Ramadan N. stammt aus der Gegend von Skopje. „Ich komme aus ärmlichen Verhältnissen und bin 1971 nach Deutschland gekommen, weil ich von meinem Beruf als Landwirt nicht leben konnte“, erklärte er gestern vor Gericht. Seit er wegen einer Krankheit vor zwei Jahren arbeitslos sei, sei er der „Spielsucht“ verfallen. Er spiele hauptsächlich in Kasinos, aber manchmal ziehe es ihn auch wie eine „Übermacht“ zu den Hütchenspielern hin. Die Vorwürfe gab er alle zu - bis auf den Vorfall mit dem Griechen: „Ich bin hingerannt, um ihm zu helfen“. Bei der anschließenden Vernehmung des Griechen stellte sich heraus, daß jener nicht wußte, ob er von dem Angeklagten festgehalten worden war. Am 17.November, dem nächsten Prozeßtag, soll noch eine Zeugin gehört werden.

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