Aus den Niederungen der Hochschule

■ Was tun, wenn es keine StudentInnen mehr gibt?

Es gibt inneruniversitäre Probleme, die hat es immer gegeben und wird es immer geben. Da ändern neue politische Verhältnisse genausowenig wie neue Prüfungsordnungen oder Finanzierungsmodelle. Eines dieser Probleme ist die Frage, was geschieht, wenn eine StudentIn, die sich zu einer Prüfung angemeldet hat, plötzlich krank wird. Üblich ist bislang, daß die StudentIn eine Krankmeldung von einer ÄrztIn beim zuständigen Prüfungsamt abliefert. Der zuständige Prüfungsausschuß, meist vertreten durch einen Prüfungsobmann, zeichnet in der Regel ein Formular ab, und die Geschichte ist vergessen.

Aber: Veränderte Zeiten, veränderte Lösungen! Seit Jahren wird lautstark verkündet, daß es bald weniger StudentInnen geben wird. Nun beginnen besonders weitsichtige Menschen, der studentInnenarmen Zukunft bereits jetzt zu begegnen. Wenn nämlich einmal weniger StudentInnen studieren, werden die armen Professoren nichts mehr zu tun haben. Und weil Ingenieure schon immer besonders weitsichtig waren, tut sich vor allem der Fachbereich 11 (Maschinenbau) an der TU in der Berücksichtigung der studentenlosen Zeit hervor. Hier hatte ein Professor in Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin aus dem Prüfungsamt eine geniale Idee: Wenn einen der Maschinenbau allein nicht mehr ernähren kann, dann wird eine zusätzliche Disziplin benötigt, um die eigene Daseinsberechtigung an der Uni aufrechtzuerhalten. Folglich wird in mühsamen Weiterbildungsmaßnahmen und Literaturrecherchen aus dem Dr.ing. der Zukunft vielleicht ein Dr.med. Dieser Prof. Dr.med. Dr.ing. wird dann Krankmeldungen der noch verbleibenden StudentInnen sorgfältig zu überprüfen haben, ob die Krankheitssymptome wohl ausreichen, eine Prüfung nicht zu besuchen.

Praktiziert wird diese „Prüfung“ jetzt schon, zugrunde liegt ihr eine Regelung, daß über die Prüfungsunfähigkeit einer KandidatIn allein der Prüfungsausschuß entscheiden darf, nicht eine ÄrztIn. Normalerweise reicht dem Prüfungsobmann eine ärztliche Bescheinigung. Dem Gespann aus dem Fachbereich 11 ist es nun gelungen, aus dieser Formalie einen wissenschaftlichen und professoralen Akt zu machen. Um sich selbst die nötige Weihe für diesen Unsinn zu geben, wurde das Rechtsamt der TU eingeschaltet, das nun die übrigen Fachbereiche auf Linie bringen soll.

Bernhard Plagemann