Reagans Film-Comeback

■ Wie sich der Expräsident in Japan blamierte

Mit Unmoral und Vulgarität in den modernen Hollywood-Filmen könnte es bald vorbei sein, meinte der ehemalige US -Präsident Ronald Reagan kürzlich bei seinem Japanbesuch in einem Fernsehinterview. Die Japaner, die sich in großem Stil in der US-Filmmetropole einkaufen, könnten, so formulierte er, „Anstand und guten Geschmack“ zurückbringen. Der alte Hollywood-Darsteller wollte mit dieser Begründung den Kauf der Filmgesellschaft Columbia Pictures durch den japanischen Sony-Konzern rechtfertigen. Der 3,4-Milliarden-Dollar-Deal hatte in Amerika für erhebliche Unruhe gesorgt.

Reagan hatte sich - bei einem Gesamtaufwand für seinen Besuch von sieben Millionen - gegen ein persönliches Honorar von zwei Millionen Dollar vom Fernseh- und Zeitungskonzern Fujisankei Communications zu der Japanreise einladen lassen. Kein anderer Expräsident, warf ihm die 'New York Times‘ vor, habe sich jemals „so schamlos in pure Geschäftemacherei gestürzt“.

Die Stellungnahme für Sony kam ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem Helfer des ehemaligen Präsidenten über eine sechsstellige Sony-Spende für die Reagan -Gedächtnisbücherei verhandelten. Aber der eigentliche Sachgehalt der Reagan-Bemerkung löste in Japan ein weit nachhaltigeres Echo aus. Je nach Temperament und sittlicher Grundhaltung wurde in Tokio hohnlachend oder erbittert auf die offenkundige Ahnungslosigkeit des prominenten Gastes verwiesen.

Eine Zensur ist zwar in Japan nach wie vor in Kraft. In keinem Film, in keiner Zeitschrift, in keinem Comic-Heft und in keinem Kunstbuch darf ein Schamhaar zu sehen sein. Sonst aber ist praktisch alles erlaubt, und das Schamhaarverbot hat nach Überzeugung von Sachkennern dazu geführt, daß die in immer neuen Wellen über das Land schwappende Pornoflut vor allem von Sadomasochismus geprägt wird.

Für seriöse Filmproduktionen, klagen viele japanische Regisseure, gebe es kaum noch Geld. Die Straßenfronten vieler Kinos werden von Szenenfotos beherrscht, auf denen vorzugsweise verängstigten Schülerinnen die Matrosenkleider vom Leib gezerrt werden. „Es gibt eine ganze Sub-Industrie rund um den männlichen Fetisch des Schulmädchens im Matrosenkleid“, klagte Japans größte Zeitung 'Yomiuri Shimbun‘.

Auch der politisch weit rechts stehende Fujisankei-Chef und Reagan-Gastgeber Nobutaka Shikanei läßt ständig mit kalkulierten Geschmacklosigkeiten, mit pornografischen Videoclips, mit Nacktfotos und gezeichneten Vergewaltigungsszenen Fernsehzuschauer und Zeitungsleser anlocken. Die Fuji-Publikationen gehören zu denen, die in einer jetzt veröffentlichten Untersuchung der Tokioter Stadtregierung gebrandmarkt werden: Eine Forschergruppe hatte wahllos an Zeitungsständen 391 populäre Magazine und Zeitungen gekauft und dann zu zählen begonnen. Auf fast 80 Prozent der 6.861 veröffentlichten Fotos wurden „Frauen in sexuell provokativer Haltung“ gezeigt. 60 Prozent aller abgebildeten Frauen wurden in Unterwäsche, in Badebekleidung oder nackt gezeigt. „Brüste und Hüften“ waren bei den meisten Bildern die Hauptsache.

Helmut Räther (dpa)