Bogota lehnt Dialog mit Kokainmafia ab

Sechzig Prozent der Bevölkerung sind für Verhandlungen / Regierung sieht sich im Drogenkrieg internationalem Druck ausgesetzt / Kursänderung vermutlich erst unter neuem Präsidenten / Ausgelieferter Drogenhändler in den USA zu 15 Jahren Haft verurteilt  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

Solange die kolumbianische Regierung die Drogenhändler an die USA ausliefert, wird die Serie der Mordanschläge kein Ende finden. Trotz dieser mehrfach wiederholten Drohung der Mafia bleibt Kolumbiens Präsident Barco bei seiner Auslieferungspolitik. Am Dienstag wurde im US-amerikanischen Detroit Bernardo Pelaez Roldan, einer der sechs Drogenhändler, die seit dem Sommer an die USA ausgeliefert wurden, zu 15 Jahren Haft und einer Geldstrafe von 25.000 Dollar verurteilt. Bei neuen Attentaten in Kolumbien wurden unterdessen vierzehn Menschen ermordet. Der unbefristete Streik der RichterInnen und Justizangestellten hält weiter an.

Verhandlungen mit der Mafia könnten nach Meinung vieler KolumbianerInnen die Situation etwas entspannen. Präsident Virgilio Barco jedoch erteilt den Dialogangeboten des Drogenkartells von Medellin regelmäßig Absagen, so zuletzt bei seiner Rede anläßlich des Jahrestages des kolumbianischen Geheimdienstes. Die Rauschgiftmafia, so Barco, versuche mit ihrer Gesprächsbereitschaft lediglich, von ihren Terroranschlägen abzulenken, die Regierung dagegen werde jetzt und in Zukunft jede Form des Dialogs ablehnen.

Nicht alle PolitikerInnen Kolumbiens denken so: Die linke Partei „Union patriotica“ stimmte kürzlich über die Frage „Dialog - ja oder nein?“ ab: Mit sechs zu drei Stimmen beschloß das Direktorium der Partei, mit der Mafia in Verhandlungen zu treten. Seit der Gründung der Union Patriotica im Jahr 1985 wurden etwa 900 Mitglieder umgebracht. Ein Großteil dieser Morde dürfte auf das Konto der Drogenhändler gehen.

Mit ihrer nun beschlossenen Befürwortung des Dialogs steht Kolumbiens Linke nicht allein: Wenn auch vorsichtig und in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend, wird diese Möglichkeit auch von PolitikerInnen der etablierten Konservativen und Liberalen in Erwägung gezogen. Zu mächtig sind die Kokainbosse, zumal der Sturz der Kaffeepreise eine Wirtschaftskrise ausgelöst hat.

Misael Pastrana, Chef der Konservativen Partei, meinte zum Thema Dialog mit der Mafia: „Nie könnte ich nie sagen.“ Die Bevölkerung scheint in ihrer Mehrheit ähnlich zu denken: Über sechzig Prozent, so eine jüngst veröffentlichte Umfrage, sind für den Dialog. Häufigster Gedankengang in vielen Gesprächen ist, daß zwar die mörderische Spitze des Drogenhandels bekämpft werden muß, daß aber dem gewaltigen Geschäft des Kokainhandels solange nicht der Garaus zu machen ist, wie die Nachfrage nach dem weißen Pulver besteht.

Trotzdem überrascht es keinen, daß Präsident Barco nicht verhandeln will: nicht nur, weil die kolumbianische Regierung sich vor der Weltöffentlichkeit zum Drogenkrieg verpflichtet hat. Barco gilt zudem auch als ein überaus dickköpfiges Staatsoberhaupt. Im August 1990 wird er das Präsidentenamt seinem aller Vorraussicht gleichfalls liberalen Nachfolger übergeben. Wenn Barcos Regierung bis dahin die Kokainmafia nicht entschieden geschwächt hat - und im Moment sieht es nicht danach aus-, wird dem neuen Präsidenten kaum eine andere Alternative bleiben, als eine stillschweigende Übereinkunft mit den Kokainbossen zu suchen. Bis dahin wird das Morden weiter gehen.