Grenzübergreifende Strahlenmesser

■ Bundesdeutsche Atomkraft-Gegner errichteten drei Strahlenmeßstellen rund um die französische „Nuklearküche“ Cattenom / „Chauvinistische Aktion deutscher Initiativen“ contra „Strahlenexport“

Trier/Cattenom (taz) - Bundesdeutsche Anti-AKW-Initiativen haben ihren Aktionsradius über die Grenzen hinweg ausgedehnt: Weitgehend unbehelligt von offiziellen Stellen haben Meßgruppen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland in Absprache mit französischen Initiativen jetzt erstmals ein Meßsystem zur Überwachung eines Atomkraftwerks auf französischem Boden installiert. Standorte der insgesamt drei Stationen sind Privatgrundstücke in einem Radius von zwei bis fünf Kilometern rund um die Nuklearzentrale Cattenom an der Obermosel. Seit einer Woche tickern die Meßstationen Daten über die Radioaktivitätsabgabe in die Rechner und werten sie aus. Bei Störfällen geben sie automatisch Alarm. Die Daten können dann an die Empfänger in Luxemburg und der Bundesrepublik weitergeleitet werden, berichteten die Meßgruppen am Dienstag bei der öffentlichen Vorstellung in Trier.

Jede der drei Stationen verfügt auch über eine eigene Wetterstation, in der Windrichtung und -stärke sowie Niederschlagsmenge gemessen werden, so daß bei einer nachträglichen Analyse der Radioaktivitätsdaten Bewertungsgrundlagen zur Verfügung stehen.

„Wovon Reaktorminister Töpfer nur träumt, existiert jetzt“, meinten die Initiativen-VertreterInnen nicht ohne Stolz. Gemeint ist eine von deutschen Städten und dem Saarland immer wieder geforderte „betreiberunabhängige Fernüberwachung“ der Nuklearzentrale, die nach dem Endausbau mit einer Leistung von 5.300 Megawatt zu den weltweit größten Atomanlagen zählen soll. Bislang mißt direkt am Standort Cattenom nur die staatliche AKW -Betreibergesellschaft EdF die Radioaktivität. Die muß ihre Daten aber erst ab einer bestimmten Grenzwertüberschreitung öffentlich machen.

Die federführenden deutschen Initiativen „Messen für aktiven Umweltschutz“ (MAUS) und „Landesatomüberwachung Saar“ (LAUS) sehen ihre Aktion einerseits selbstkritisch als „chauvinistische Aktion deutscher Initiativen“, rechtfertigen die Ausdehnung ihres Aktionsfeldes auf ausländisches Gebiet aber mit einer „akuten Bedrohungslage“ und dem „Strahlenexport“ durch die Atomzentrale, wie MAUS -Sprecher Manfred Trost es nannte. Trotz dieses Selbstverständnisses haben die Initiativen vor ihrem Auslandstrip ein Rechtsgutachten bei einer Pariser Kanzlei in Auftrag gegeben. Ergebnis: Das Vorpreschen deutscher Strahlenmesser auf französisches Terrain stelle keine Verletzung des Völkerrechts dar. Die BIs vollziehen mit der jetzt installierten Anlage (Preis rund 40.000 Mark) nach, was an Standorten von AKWs in der BRD seit langem existiert. Nicht erfaßt werden mit den Anlagen die radioaktiven Einleitungen in die Mosel. Dort habe man keinen Zugang gefunden, weil alle Einleitungsstellen unmittelbar am Standort zu militärischem Sperrgebiet erklärt worden seien, berichteten die grenzübergreifenden Strahlenmesser.

Thomas Krumenacker