Szenario der NS-Weltherrschaft

■ NS-Geschichte als Anfang einer barbarischen Utopie

Ralph Giordano, Romancier und Publizist, stellte am Mittwoch sein neues Buch Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte in Bremen vor.

Warum schreibt ein Zeitgenosse der Hitler-Herrschaft ein Buch über die Utopien des III. Reiches? „Weil die Nazis“, so der 66jährige Autor gleich zu Beginn seiner Lesung, „eine ganze Reihe jener Pläne realisiert und erprobt haben, die sie der gesamten Menschheit zugedacht hatten, wenn ihnen die Herrschaft über die Welt gelungen wäre.“

Der Generalplan Ost für das besetzte Osteuropa habe im kleinen Maßstab die geplante Kolonialisierung Asiens und Afrikas vorweggenommen. Im „anderen Holocaust“, dem Massenmord an nichtjüdischen Menschen, seien im Zuge der „Germanisierung“ 1940 allein 3,4 Millionen PolInnen zum Opfer gefallen: Deportiert, zur Zwangsarbeit genötigt, in Konzentrationslagern ermordet. Mit einer Mischung aus

„Wahnsinn und Ratio“ sind die faschistischen Technokraten zu Werke gegangen: Besitzverhältnisse, Bodenordnungen, landwirtschaftliche Nutzflächen sind vermessen worden für die Ansiedlung „germanischer Haufendörfer“.

Hinter Wörtern wie „Eindeutschung, Umdeutschung, Umvolkung“ versteckte sich die systematische Ermordung der slawischen Völker.

Auf einer Eisenbahnstrecke mit vier Metern Spurbreite sollten Menschen und Güter durch die Ukraine zur deutschen Zwangsarbeit transportiert werden. Die technische Vorbereitung des Massenmordes gipfelte in einem Patent der Erfurter Ofenbaufirma Topf und Söhne: Die meldete am 4. November 1942 eine „Menschenverbrennungsanlage“ beim Patentamt an. In den Konstruktionsplänen ist von „Anheiz und Verbrennungszonen“ die Rede, von der „bestmöglichen Ausnutzung des Brennmaterials“, von

der Schamottverkleidung und einem „Tagesdurchsatz von 4.8oo Menschen“.

„Man kann keine vollständige Charakteristik des Nationalsozialismus geben, ohne seine schlußgeschichtlichen Vorstellungen zu kennen.“ Giordanos Buch will dazu einen Beitrag leisten. ma