: Was ist los mit der Bremer Polizei?
■ Innensenator, Polizeipräsident, Krimiautor und grüner Rechtsanwalt diskutierten / Reizworte: Abrüstung und Duckmäusertum
Man war nicht unter sich im grün-alternativen Dunstkreis, es war keine Polizei-Lobby-Veranstaltung, aber rund ein Drittel der Zuhörer im rappelvollen Villa-Ichon-Saal waren Polizisten. Und es war ein schön kontrovers zusammengesetztes Podium: Innensenator Peter Sakuth und sein Polizeipräsident Rolf Lüken, Krimiautor Jürgen Alberts und der grüne Rechtsanwalt Rainer Oellerich, alle unter dem straffen Regiment des B&B-Moderators Hans Jessen und mit dem dräuend dicken Ausschußbericht „Geiselnahme“ auf dem Tisch, mehr als stumme Mahnung denn als Diskussionsgrundlage.
Daß die Polizei sich unterbezahlt fühlt und überstundenbelastet, politisch verheizt in fragwürdigen Projekten wie Wackersdorf, frustriert in allen
Dienstgraden, das wußten alle. Aber erhebliche Unruhe entstand im Saal, als Oellerich die polizeiliche „Führungsetage ohne jeden Anflug von Selbstkritik“ angriff, „Polizei-Abrüstung“ zur Deeskalation forderte und etwa lieber die Gewerbeaufsicht als die imageförderliche Umwelt -Polizei für die nur nachträgliche Strafverfolgung stärken wollte. Jürgen Alberts kritisierte das „geschlossene System“ Polizei und den Umgang mit internen Kritikern mit seinem Romantitel: „Das sind doch 'Kameradenschweine‘!“
Prügelszenen auf Polizeirevieren, Gruppendruck, Duckmäuserei, Unfähigkeit der Polizeiführung und Anfälligkeit gegen die Rechts-Politik der Reps - davon wollten weder Sakuth noch Lüken etwas wissen außer vielleicht Einzelfall-Ausnahmen. Sakuth, der
seine eher allgemeinen Worte mit einem neuen Repertoire an ausholenden Gesten zu unterstreichen suchte, wollte „nichts verallgemeinern“, „Fehler aufarbeiten“, aber keine nennen und wünschte sich eine „offene, demokratische, kritikfähige Polizei“.
Lueken, seit 33 Jahren bei der Polizei, fand, die Polizei werde immerzu falsch angegriffen: Die Bevölkerung ergreife aus Unkenntnis gegen sie Partei „für die vermeintlich Schwächeren“, die Medien stellten's falsch dar, und dann sei das noch - „ich will das nicht beklagen“ - diese „kritische Öffentlichkeit“. Die behauptete Nähe von großen Teilen der Polizei zu den Reps (Jessen: „In Berlin kommt die halbe Reps-Riege aus der Polizei“) sei „Kaffeesatzleserei“. Man müsse selbstverständlich „mit dem le
ben, was politisch beschlossen ist“, etwa mit dem „liberalen Haftrecht“. Nicht als einziger hörte Alberts da bedauernde Untertöne durch. Aus dem Publikum regte sich Polizeigewerkschafts-Chef Hans Schulz über die Zumutung „Abrüstung“ auf: Man habe doch Maschinengewehre und Handgranaten bei der Polizei abgeschafft in den 60ern! Wer noch mehr Abrüstung wolle , „ist uns nicht wohlgesonnen“.
Aber im Publikum saßen auch reihenweise Leute, die aus eigener Demonstrationserfahrung, zum Beispiel für den Frieden, wußten, wovon sie sprachen: Polizei-Knüppel auf unbehelmte Köpfe, CS-Gas im Wasserwerfer, Filmbeschlagnahmen, anonyme Polizisten im Schutz der Kameraden. Der grüne Innenpolitiker Martin Thomas im Publi
kum kritisierte die „Kasernierung der jungen, oft demokratisch und sozial eingestellten Polizeibeamten zu einem Männertyp mit überholten Wertvorstellungen und falscher Kumpanei“, redete von „Einpeitschern vor Brokdorf und Wackersdorf“, forderte öffentliche Kontrolle statt Deputations-und Ausschußsitzungen mit verordneter Schweigepflicht: „Nur in Bremen gibt es keine Gruppe der 'Kritischen Polizisten‘!“ GdP-Schulz: „Die brauchen wir nicht! Sind wir selber!“
Man ging nur in wenigen Punkten aufeinander zu: Anerkannt wurde, daß die Führungsausbildung „zivilisiert und vorbildlich“ sei, und daß die GdP schließlich eine engagierte Kampagne gegen die Reps gestartet hatte. Alberts hatte gerade von falschen, einfachen Weltbilden in Polizeiköpfen
gesprochen, wo es nur noch Gute und Böse gebe. Eine junge Polizistin („Ich nenne immer freundlich meinen Namen“) fand es unmöglich, „immer angeblafft zu werden und immer zu rechtfertigen, warum ich jemand anhalte! Ich arbeite nicht ohne Bewaffnung, die Kumpels würden mich ja abknallen!“
Sakuth kündigte fast leidenschaftlich eine „entschiedene Gegnerschaft gegenüber Illoyalitäten“ an: „Ich bin kein Polizeifachmann, ich muß mich auf gute Beratung verlassen!“ Das fand auch einer der mündigen kritischen Polizei-Kollegen im Saal: „Unsere auswechselbaren Senatoren-Chefs, das sind keine Fachleute“ und kriegte gleich einen Schreck: „Ich weiß gar nicht, ob ich jetzt gegen das Beamtenrecht verstoße?!“ S.P
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