K O M M E N T A R „Mauer weg“ hat seinen Preis

■ Scherfs Konzept der Abschreckung ist mutig

Freiheit hat ihren Preis. Henning Scherf hat diese Binsenweisheit ungestüm und drastisch unters Volk geworfen. Der Zustrom so vieler Menschen aus dem Osten wird auch hierzulande die soziale Verschlechterung im Schlepptau haben. Das Wohlstandsgefälle zwischen Ost und West ist zu eklatant. Notpläne, Hilferufe, Geldforderungen allerorten doch nichts ist symbolträchtiger für die gegenwärtige Ausnahmesituation als die Belegung von Bunkern. Das weckt weit über Bremen hinaus Erinnerungen an Krieg und Elend und signalisiert denen, die kommen, daß die paradiesischen Zeiten, die die ersten Flüchtlinge, die via Ungarn kamen, noch vorfanden, endgültig vorüber sind.

Scherfs Offenbarungseid hat etwas Positives: er läßt die nicht ungeschoren, die in ritueller Regelmäßigkeit die Wiedervereinigung und den freien Fall der Mauer forderten und nun nicht wahrhaben wollen, daß die Geister kamen, die sie riefen. Nichts wird mehr sein wie vorher, sagt uns der Sozialsenator.

Doch daß Sozial-und Umweltpolitik nur die Luxusweibchen des Wohlstandsstaates sind und im Zuge des Zuwandererstromes ad acta gelegt werden müssen, ist kein Automatismus. Es ist nur dann zwangsläufig, wenn an den eigentlichen Tabus nicht gerührt wird: Drastischer Abbau der Rüstung und vollständiger Rückzug der Supermächte von gesamtdeutschem Boden. Aber die Friedensbewegung im Westen blickt gebannt auf den Alexanderplatz - und rührt sich nicht.

Andreas Hoetzel