Konversion in der UdSSR in vollem Gange

■ Aus Raketen mach Kühlschränke / Aber als Antiinflationsmaßnahme wenig Chancen

Berlin (taz) - Geringe Chancen bescheinigt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin der UdSSR -Regierung für ihren Versuch, der Inflation im Lande Herr zu werden. Ein immenser Kaufkraft-Überhang und ein schlechtes Angebot sowie die dramatisch angestiegene Staatsverschuldung sind laut jüngstem Wochenbericht des Instituts die entscheidenden Hürden. All dies habe in letzter Zeit zu einem steilen Anstieg der Schwarzmarktpreise geführt. Aber auch die offiziellen Konsumgüterpreise seien erhöht worden.

Noch im Jahre 1986 habe das Loch im zentralen Haushalt noch zwei Prozent des Bruttosozialproduktes betragen, heute seien es bereits 13 Prozent. Der laufende Haushaltsplan weist nach Angaben des neuen Finanzministers Pawlow eine Deckungslücke von 120 Milliarden Rubel auf. Finanziert wird der Fehlbetrag nach Ansicht des DIW vor allem durch zinslose Staatsbankkredite, also durch die Notenpresse. Die Umleitung der gewaltigen Sparbeträge von derzeit rund 150 Milliarden Rubel in den Staatstopf scheitere, „da der Staat keine im Vergleich zur erwarteten Inflationsrate ausreichenden Zinsen bietet und zudem bei der einheimischen Bevölkerung nicht kreditwürdig ist“. Der Geldmengenzuwachs vervierfachte sich aufgrund dessen zwischen 1985 und 1988 von drei Milliarden auf 12 Milliarden Rubel. Inzwischen überlegt die Moskauer Regierung die Ausgabe einer Staatsanleihe und hofft, daß Staatsbetriebe, Genossenschaften, Banken und Versicherungen durch den Ankauf derselben ihr zu neuem Geld verhelfen. Das könnte die Notenpresse und inflationäre Tendenzen entlasten. Im vorgelegten Haushaltsplan für 1990 soll nun das Defizit auf 60 Milliarden Rubel begrenzt werden. Die Sowjetunion geht dabei den riskanten Weg, ihre Investitionszuschüsse im Produktionsbereich gewaltig herunterzuschrauben: von 70 auf 40 Milliarden Rubel. Aber auch im Verteidigungsbereich soll gespart werden. Der Etat ist mit 70,9 Milliarden Rubel um 8,3 Prozent niedriger als der 89er. Andererseits ist die Konversion der Rüstungsbetriebe nach Ansicht des DIW in vollem Gange. Dadurch soll das Konsumgüterangebot erweitert und somit auch von dieser Seite die Inflation gebremst werden: „Die Betriebe der zum 'Verteidigungskomplex‘ gehörenden Ministerien produzieren jetzt in erheblichem Umfang vor allem technische Konsumgüter. Außerdem gehört der Maschinenbau für die Leicht- und Nahrungsmittelindustrie seit März 1988 zum Verantwortungsbereich der Ministerien der Rüstungsindustrie. Für 1990 ist ein Anstieg der nichtmilitärischen Produktion des 'Verteidigungskomplexes‘ um 21,4 Prozent bei gleichzeitiger Kürzung der Herstellung von militärischer Ausrüstung von sieben Prozent geplant.“ Für das Jahr 1995 will Moskau die Rüstungsbetriebe zur Hälfte mit ziviler Produktion auslasten. 400 von ihnen sollen im kommenden Jahr bereits entsprechend umgestellt werden.

Die Art und Weise der Konversion ist allerdings umstritten. Kritiker merken an, daß es unsinnig sei, die weitgehend hochtechnologisierten Rüstungsbetriebe auf die Herstellung von Kühlschränken festzulegen. Anstatt zum Beispiel Flugzeugbetriebe dazu zu zwingen, sei es sinnvoller, Flugzeuge oder Hubschrauber für die zivile Nutzung zu exportieren, und mit den erwirtschafteten Devisen Konsumgüter einzuführen. Das DIW bezweifelt allerdings, „ob die Sowjetunion in der Lage ist, tatsächlich kurzfristig weltmarktfähige Zivilflugzeuge herzustellen“.

Das DIW begründet seine Skepsis über den Erfolg der antiinflationären Maßnahmen mit dem nach wie vor nicht gelösten Kaufkraftüberhang. Aufgrund der 150 Milliarden Rubel verliere das Geld seine Funktion als allgemein anerkanntes Tauschmittel.

ulk