Ein kleiner Sieg

■ Das Aus für das Beratungsgesetz zum Paragraphen 218

Das Aus für das Beratungsgesetz - welch eine Erleichterung hätte diese Nachricht noch vor ein, zwei Jahren hervorgerufen. Heute fallen die Reaktionen verhalten aus. Tatsächlich gibt es keinen Grund zum Jubel. Daß die Vorsitzenden der Koalitionsparteien nun entnervt das Handtuch warfen und das Beratungsgesetz für diese Legislaturperiode beerdigten, ist nicht als politisches Signal für einen grundlegenden Wandel bei den Unionsparteien zu verstehen. FPD und CSU konnten sich schlicht auf keinen Deal verständigen. Wobei den FDP-Politikerinnen Adam -Schwätzer, Schmalz-Jacobsen und Würfel Respekt dafür gebührt, mit wieviel Zähigkeit und taktischem Geschick sie verhinderten, daß sich die bayerische Variante durchsetzte.

Rund anderthalb Jahre wurde gefeilscht. Die CSU wollte sich partout auf keine liberalere Fassung des Beratungsziels einlassen. Hier aber zeigten die FDP-Politikerinnen Standfestigkeit und beharrten darauf, die Interessen der Frauen zu berücksichtigen. Und sie fanden ein probates Mittel, die Bayern unter Druck zu setzen. Wenn schon ein bundeseinheitliches Gesetz verabschiedet werden soll, so argumentierten sie, dann müßte der Freistaat auf seine schärferen Landesrichtlinien verzichten. Darauf konnten sich die Christsozialen nun unter keinen Umständen einlassen. Hatten sie doch erst Anfang des Jahres mit ihrer angestrebten Verfassungsklage gegen §218 und die Krankenkassenfinanzierung den klerikalen Fundamentalisten in den eigenen Reihen nachgegeben. Wie hätten sie gegenüber dieser Klientel nun ein „liberales“ Gesetz rechtfertigen können, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren?

FPD und CSU können sich nun beide als „Sieger“ fühlen. Und die Frauen? Natürlich bereitet es Genugtuung, daß die mit dem Beratungsgesetz einhergehende Verschärfung des §218 abgewendet ist, aber ungetrübte Freude kann nicht aufkommen. Zuviel ist in diesen letzten Jahren passiert: Die schwäbischen Antiabtreibungskampagnen und das Glockengeläut katholischer Bischöfe für das ungeborene Leben sind dabei noch „harmlose“ Spielarten einer ausufernden Politik des „Lebensschutzes“, die konsequent das Selbstbestimmungsrecht der Frauen negiert. Ereignet hat sich Memmingen. Die Urteile der bayerischen Landrichter stellten alles in den Schatten und zeigten erschreckend und ernüchternd, wie schon im Rahmen der bestehenden Gesetze Kriminalisierung, Einschüchterung und Demütigungen möglich sind, wenn das entsprechende politische Klima herrscht. Der Kampf um die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Entscheidungsfreiheit von Frauen ist nicht zu Ende - das Aus für das Beratungsgesetz nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Helga Lukoschat