Heftige Kämpfe in der Westsahara

■ Mehr als 130 Tote bei Angriff der Polisario auf marokkanische Regierungstruppen / Unterstützt Algerien die Guerilla mit Waffen? Geplanter Dialog auf Initiative der UNO zwischen dem marokkanischen König Hassan II und den Widerstandskämpfern in Frage gestellt

Algier/Rabat (afp) - Sahrauische Guerillakämpfer haben im Norden der Westsahara am Mittwoch morgen einen Angriff „großen Ausmaßes“ gegen marokkanische Soldaten gestartet. Bei dieser „gewalttätigen Attacke“ im Gebiet von Amgala soll es mehr als 130 Tote gegeben haben, hieß es in einem gestern in Algier veröffentlichten sahrauischen Kommunique. Nach Ansicht marokkanischer Oppositioneller wurde die Polisario von Algerien mit Fahrzeugen, Ersatzteilen, Treibstoff und Munition unterstützt.

Sie erinnerten in diesem Zusammenhang an die Bemerkungen eines kürzlich nach Marokko übergelaufenen Polisariogründers, Omar Hadrami, der vor der Presse erklärt hatte, die Polisario sei zu einem oder zwei Angriffen in der Lage, doch sei sie darüber hinaus auf Hilfe angewiesen. Beobachter gehen indes davon aus, daß der algerische Präsident Schadli Bendschedid, der sich die algerisch -marokkanische Aussöhnung zum Ziel gesetzt hat, es sich aus innenpolitischen Gründen nicht leisten kann, die Polisario offiziell fallen zu lassen. Zwar sei er auch nicht bereit, sich hinter die Unabhängigkeitsorganisation zu stellen, doch dulde er deren Unterstützung.

Unterdessen wurde in Rabat bekannt, daß der marokkanische König Hassan II vor den jüngsten Angriffen der Polisario auf Anregung Bendschedids und des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Perez de Cuellar, ein weiteres Treffen mit einer Delegation der Unabhängigkeitsorganisation erwogen hatte. Algier habe die entsprechenden Kontakte herstellen sollen. Ein erstes Treffen war bereits im Januar in Marrakesch zustande gekommen. Nach den jüngsten Überfällen seien diese Pläne jedoch verschoben worden. Beobachter gehen davon aus, daß der König jetzt kaum den von der UNO -Entkolonialisierungskommission geforderten „direkten Dialog“ wiederaufnehmen wird.

In der Westsahara kämpfen ins algerische Exil gedrängte Sahrauis, die nach dem Abzug der Spanier von 1975 aus ihrem Kolonialgebiet einen eigenen Staat gefordert hatten, gegen Marokko, das das Territorium entsprechend dem dreiseitigen „Madrider Vertrag“ erst zur Hälfte und nach dem Rückzug Mauretaniens 1979 unter Berufung auf historische Rechte ganz annektiert hatte. Nach einem Jahr der relativen Waffenruhe ist der jüngste Überfall der Polisario bereits der dritte Angriff hintereinander in der Westsahara. Die beiden vorangegangenen fanden innerhalb von weniger als einer Woche im zentralen Guelta Zemmour und in Hauza, im Nordosten des Landes, statt. Bei diesen Kämpfen am 7. und 11. Oktober fanden sahrauischen Angaben zufolge jeweils etwa 200 marokkanische Soldaten den Tod. Der Angriff stellt sahrauischen Quellen in Algier zufolge eine Antwort auf die „militaristischen“ Ausführungen von König Hassan II „zum 14jährigen Jubiläum des marokkanischen Einmarschs im Norden der Westsahara“ dar. Dies bezieht sich auf die Jubiläumsfeierlichkeiten zur Erinnerung an den Einmarsch 350.000 unbewaffneter Marokkaner den König Hassan II 1975 organisierte, um den Abzug der Spanier zu erreichen.