Umweltminister Weimar greint um Alkem

Hessens Umweltminister Weimar nach dem Alkem-Urteil auf dünnem Eis / Seit 1975 rund 30 illegale Vorabzustimmungen für Alkem erteilt / Der Minister fühlt sich unschuldig und hofft auf eine Rehabilitierung durch das Bundesverwaltungsgericht  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) - Der als „Panzer von Limburg“ in die regionale Handballgeschichte eingegangene hessische Umwelt- und Reaktorsicherheitsminister Karlheinz Weimar (39) spielte Clint Eastwood: Mit einem Zigarillo im Mundwinkel und einem demonstrativ desinteressierten Blick in den Augen, ließ der Minister am Dienstag während der gemeinsamen Sitzung des Umwelt- und des Rechtsausschusses im hessischen Landtag die Verbalattacken der Oppositionsvertreter über sich ergehen: Ein „Rechtsbeuger“ (Klemm/SPD) sei er und ein „Lügner“ (Fischer/Grüne), ein „Unbelehrbarer“ (Riedel/Grüne) und ein „skrupelloser Rechtsbrecher“, der in Hessen „eine Verfassungskrise heraufbeschworen“ habe (v. Plottnitz/Grüne).

Als dann am Dienstag im Sitzungssaal 119 M auch noch das böse Wort vom „willfährigen Diener der Atomindustrie“ (Fischer) fiel, zerdrückte der „Panzer von Limburg“ schließlich entnervt seinen Zigarillo im Aschenbecher und bellte los: Er verbitte sich solche Unterstellungen. Er als Jurist habe bei seinen Entscheidungen immer nur nach „Recht und Gesetz“ und nach „bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt. Joschka Fischer schlug sich johlend auf die Schenkel: „Erst treten, kratzen, spucken und dann greinen. Der hessische Landtag ist doch kein Kindergarten, Herr Minister!“

Getreten, gekratzt und gespuckt hat Weimar nach Auffassung des „Advocatus Diaboli“ der Opposition in seiner Erklärung zu den jüngst für illegal erklärten Vorabzustimmungen für die Plutoniumfabrik Alkem. Darin hatte der angeschlagene Hüne Weimar seinen für atomrechtliche Genehmigungsverfahren zuständigen Vorgänger Ulrich Steger (SPD) als „Erfinder“ der rechtswidrigen Vorabzustimmungen für die Alkem bezeichnet, die von Weimar dann in eine „ordentliche Teilgenehmigung“ (Weimar) umgewandelt worden waren: Wutgeheul bei den SPD -Vertretern, Beifall bei den Regierungsparteien und Schweigen bei den Grünen.

Die Genehmigungseskapaden von „Mamas Liebling“ (Kanther/CDU) waren seinerzeit der Anfang vom vorzeitigen Ende der rot-grünen Koalition in Hessen. Lothar Klemm (SPD) mußte seinen ungeliebten Ex-Minister, dem die Fraktion im Februar 1987 die Pest an den Hals gewünscht hatte, verteidigen: Immerhin habe Steger seine Vorabzustimmungen zu einer Zeit erlassen, als noch „kein Gericht der Welt“ ein Urteil zur Praxis der Erteilung von Vorabzustimmungen gefällt habe. Weimar dagegen habe seine Teilgenehmigung erteilt, nachdem das Hanauer Landgericht die Vorabzustimmungen „klar für rechtswidrig erklärt“ habe. Klemm: „Weimars Verwaltungsakt war ein bewußt begangener Rechtsbruch.“

In der Tat ist das Eis dünn, auf das sich Weimar begeben hat. Der Minister verknüpfte sein Verbleiben im Amt mit der Hoffnung auf ein anderes Urteil im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Aus dem erstinstanzlichen Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH), der vor Wochenfrist die von Weimar erteilte Teilgenehmigung als „offensichtlich rechtswidrig“ bezeichnet hatte, könne ihm keiner einen Strick drehen. Zur Zeit liege noch nicht einmal die schriftliche Urteilsbegründung des VGH vor - „aber die Opposition fordert schon meinen Kopf“.

Den Kopf von Weimar fordert auch die rührige Initiativgruppe Umweltschutz Hanau (IUH). Nach der Novellierung des Atomgesetzes im Jahre 1975 seien nämlich für die Plutoniumfabrik Alkem insgesamt 30 Vorabzustimmungen erteilt worden - „alle illegal und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit“ (IUH/Elmar Diez). Weimar hätte deshalb umgehend die gesamte Anlage stilllegen müssen, denn der laufende Betrieb der Alkem basiere ausschließlich auf diesen rechtswidrigen Verwaltungsakten.

Die Zulassung der Revision durch den VGH hat Weimar wohl auch (vorerst) ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren erspart. Doch über dem Minister schwebt permanent das Damoklesschwert der Strafjustiz. Sollten sich die Bundesverwaltungsrichter der Rechtsauffassung ihrer hessichen Kollegen anschließen, muß die zuständige Hanauer Staatsanwaltschaft von Amts wegen gegen den Straftäter Weimar ermitteln. Weimars Justizministerkollege Karl-Heinz Koch („das Krokodil„/Fischer) ging denn auch auf Distanz. Für die ganzen Vorgänge um die Hanauer Nuklearbetriebe trage alleine der Umwelt- und Reaktorsicherheitsminister die Verantwortung.

Weimar selbst geht dagegen jedes Unrechtsbewußtsein ab: „Ich halte die Entscheidung des VGH für nicht richtig.“ In seiner Not zog Weimar auch Bundesumweltminister Klaus Töpfer mit in den Schlamassel hinein. Sein Bonner Parteifreund habe die Teilgenehmigung für die Alkem schließlich „ausdrücklich und im Vorfeld gebilligt“. Weimars Einlassungen wurden im Anschluß von Rupert von Plottnitz (Grüne) mit dem CDU -Wahlslogan: „Weiter so Deutschland“ kommentiert. Wer partout mit dem „Kopp durch die Wand“ wolle, werde sich selbigen dort gehörig aufschlagen. SPD und Grüne jedenfalls werden in der kommenden Woche ihre Entlassungsanträge gegen Weimar dem Landtag vorlegen. Unabhängig von dem konkreten Rechtsbruch sei Weimar nämlich als Minister für Umwelt und vor allem für Reaktorsicherheit „nicht länger tragbar“. Klemm (SPD): „Der Mann kann doch seinen Job nicht mehr bewältigen, weil er nur noch damit beschäftigt ist, die eigenen Fehler in der öffentlichkeit zu rechtfertigen.“