11 BremerInnen & eine löchrige Mauer

■ Eine Zufallsumfrage, die ergibt, daß die Freude größer ist als die Angst - auch im Baugewerbe

taz: Die Mauer ist offen. Wie finden Sie das?

Frau, Angestellte im Paßamt: Das find ich toll. Das sollte so bleiben. Das ist unwahrscheinlich schön, wenn der Stacheldraht und die Mauer wegkommen. Heute morgen um 5 Uhr habe ich das im Radio gehört und gleich den Fernseher eingeschaltet.

Ist die Bundeswehr jetzt überflüssig?

Die Bundeswehr stört mich nicht. Aber vielleicht geht die jetzt auch von selbst weg.

Haben Sie Angst vor den Hunderttausenden, die jetzt rüberkommen?

Ich schätze, wenn die DDR-Bürger das hier sehen und da drüben die Reformen kommen, dann gehen die wieder zurück.

Studentin: Ich finde richtig, was Stefan Heym gesagt hat: „Wenn die Mauer abgerissen ist, haben wir das Problem und nicht die DDR.“ - Ich hab viel mehr Achtung vor den Leuten, die da drüben bleiben, um was zu erreichen, als vor denen, die hierüberkommen in einen kapitalistischen Staat.

Mann, Apotheker: Ich habe fast den ganzen Morgen geheult. Ich

komme ja selber aus der DDR. Ist zwar schon 32 Jahre her. Aber fast meine ganze Verwandtschaft lebt da. - Da müssen die Leute schon ganz schön verzweifelt sein, sich einfach so ins Auto zu setzen und rüberzukommen. Das ist schrecklich, wenn man von allen weg muß.

Junger einsilbiger Mann, Lehrling für Akkustikbau: Ich hab damit früher oder später gerechnet. - Ich bin vom Bau, ich werde davon nur profitieren.

Studentin: Ich bin eigentlich Engländerin. Und ich habe die Nase voll von der ganzen Sache. Das interessiert mich zwar schon, aber wenn das dreimal am Tag im Fernsehen kommt, hat man keine Lust mehr.

Junge Frau, arbeitslos: Ich finde das gut. Das ist ein normales Menschenrecht. Aber eines Tages wird die Belastung hier zu groß. Das muß schnell angeschoben werden in der DDR, so schnell wie möglich, damit die das hier nicht mehr besser finden als in der DDR.

Älterer Mann, Steuerberater im Ruhestand: Hervorragend. Wurde

höchste Zeit. Ich hab genug Verwandte da drüben. Weiß was da los ist.

Sehen Sie, nach dem Krieg in der schlechten Zeit haben wir Millionen Flüchtlinge verkraftet. Wenn Sie das vergleichen, ist das jetzt eine Bagatelle. Die Bundesrepublik ist das reichste Land Europas. Viel wichtiger ist, daß wir denen wirtschaftlich helfen. Und die sollten was tun für den Tourismus, die DDR ist so ein schönes Land. Aber erst mal müssen die natürlich ihre Gastronomie in Ordnung bringen.

Denken Sie über die Flüchtlinge aus der 'Dritten Welt‘ genauso?

Ich hab kein Verständnis, daß wir die Wirtschaftsasylanten aus der Dritten Welt aufnehmen. - Die DDR, das ist ein anderes Kapitel. Für mich sind das genauso Deutsche wie Bayern. Und an der Teilung Deutschlands haben die wirklich keine Schuld.

Frau, stark alkoholisiert, pöbelt diesen Mann an: Da denk ich ganz übel von. Da stößt es mir auf. Die sprechen nicht meine Sprache, die sprechen ihren Dialekt. Die kosten nur...

Rentner: Da kann man gemischt denken. Eine Seite ist die Arbeits

losigkeit und Wohnungsnot bei den Hiesigen.

Aber eineinhalb Jahre war ich auch drüben. Meine Frau ist von drüben. Ich war ein bißchen frech: Acht Wochen Gefängnis. Ich kenn das. Die kriegen gleich Zuchthaus, für die kleinste Kleinigkeit.

Junger Mann, arbeitslos, WG'ler: Wir haben schon zwei Stunden in der WG gelästert und gesagt, daß keiner hören dürfte, daß wir so konservativ sind. Ich finde, der ganze Medienrummel ist die Hauptursache dafür, daß die jetzt rüberkommen. - Wirtschaftsasylanten, das sind am ehesten die DDR-Leute. Ein extrem konservatives Potential. Da ist so 'ne Angst, mit seinem eigenen Geld an der Armutsgrenze zu leben und dann diese Massen hierüber strömen zu sehen.

Junge Frau, Sozialpädagogin, WG'lerin: Irgendwo ist es mir zuviel, ständig im Fernsehen ein Interview mit Tränen und Freude. Ich kann es nicht nachvollziehen. Ich finde schon, daß es da eine Regelung geben sollte. - Aber was mich besonders ärgert: die ganzen Asylanten werden weiter abgeschoben.

Umfrage: Barbara Debus