„Unbändige Freude“

Regierender Momper im nächtlichen Trubel der DDR-Besucher  ■ I N T E R V I E W

taz: Was denkt Walter Momper angesichts einer solchen sanften und klugen Revolution?

Walter Momper: Erst einmal habe ich mich gefreut, und zwar unbändig; zweitens habe ich überlegt, was jetzt getan werden muß.

Was erwarten Sie denn?

Also es werden viele zu uns zu Besuch kommen, der ein oder andere wird auch bleiben. Wir sollten alle mit offenen Armen aufnehmen. Sicher werden auch Lasten entstehen. Ich bin aber weit entfernt, ihnen kluge Ratschläge zu geben.

Hat es denn Kontakte mit der DDR gegeben, um das Ganze in den Griff zu bekommen?

Wir waren darauf eingerichtet, daß es am 1. Dezember losgehen würde. Es sind Kontakte zur anderen Seite aufgenommen worden, um die verkehrsmäßigen Voraussetzungen für den Ansturm zu schaffen. In diesem Rahmen hat es ein Treffen der Besuchsbeauftragten gegeben. Die Berliner Verkehrsbetriebe sind vorbereitet, die Polizei und andere Behörden auch.

Kommt jetzt die kurze Nacht der Anarchie?

Nein, glaube ich nicht, dazu sind die Menschen viel zu diszipliniert.

Blicken wir auf die andere Seite. Kommt das Ende der SED?

Da will ich nicht spekulieren. Die Maßnahme, die die SED jetzt getroffen hat, ist ja im Prinzip richtig, sie dürfte auch von oben gekommen sein. Ich finde, es ist der Versuch der SED, den Wünschen der Bürger zu entsprechen und endlich einen Schlußpunkt zu setzen unter die Halbheiten der jüngsten Vergangenheit.

Was passiert mit der Mauer?

Das Entscheidende ist, sie hat ihre Funktion verloren. Sie trennt nicht mehr die Menschen. Ob nun diese schreckliche Mauer, an der so viele Menschen gestorben sind, weiter stehen bleibt, ist nicht mehr entscheidend.

Privatleute wollen jetzt schon Claims abstecken und die Mauersteine einzeln an Touristen verkaufen. Dabei gehört die Mauer doch ganz allein der DDR, sie ist ja Volkseigentum. Haben Sie schon einen Joint-venture zur Kommerzialisierung der Mauer angeboten?

(Momper lacht) Es gibt bisher noch keine Überlegungen in dieser Richtung.

Interview: Erich Rathfelder (im Getümmel der Invalidenstraße in der Nacht zum Freitag)