Selbsthilfe aus dem Topf

■ Podiumsdiskussion zum Abschluß der Selbsthilfetage fordert mehr Mittel

Zwei Tage lang hatten sich Selbsthilfegruppen und selbstorganisierte Projekte in der Schule am Waldrahm der Öffentlichkeit präsentiert. Zum Abschluß des Selbsthilfetages standen auf einem improvisierten Podium Perspektiven und Politik der Selbsthilfe zur Diskussion. Werden die Selbsthilfegruppen zunehmend von den immer professioneller werdenden Projekten an die Wand gedrückt? Werden sie bald die finanziellen Mittel aufsaugen, werden dafür die gesundheitspolitisch unverzichtbaren kleinen Gruppen ausbluten?

Kritisch wurden die VertreterInnen der Projekte, wurden Sozialsenator Scherf, Senatsdirektor Dopatka (für den Senator für Gesundheit) und VertreterInnen von Krankenkassen und begleitender Wissenschaft befragt und zu Stellungnahmen gezwungen. Albrecht Lampe, als Vertreter einer im Paritätischen Wohlfahrtsverband organisierten großen Gruppe von Selbsthilfe-Einrichtungen, forderte eine ganz klare Stellungnahme der Politik zur Frage der künftigen Finanzierung. Die von Scherf vorgeschlagene Pflöegesatz -Lösung lehnte er ab. Die selbstorganisierten Projekte seien eine Form der „sozialen Dienstleistung“ und erforderten eine neue Form der finanziellen Struktur. Die Selbsthilfekultur sei durch spezielle Förderung und den Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur zu unterstützen. Dabei sei die vom Wissenschaftsvertreter Braun (Institut für sozialwissenschaftliche Analysen und Beratung, ISAB Köln) geforderte „zentrale Koordinationsstelle“ als eine Lampes Meinung nach „monopolisierte Kontrollstelle“ völlig überflüssig: Gerade die in Bremen gefundene kooperative Struktur aus einem losen Verbund von Gesundheitsladen, Netzwerk, Wohlfahrtsverbänden und Gesundheitsamt zeige, daß so eine Vielzahl von Gruppen und Projekten aus den unterschiedlichsten Bereichen und Spektren sinnvoll zusammenarbeiten. Doch auch der DPWV werde in Kürze mit einer Forderung nach Personalmitteln auf den Senat zukommen.

Lob erntete in der Diskussion um die politische Zukunft der

Selbsthilfe der Bremer Topf. Die Hoffnung, daß die über ihn verteilten Sachmittel auch nach Ablauf des vom Bund geförderten Projektes durch das Land Bremen weiterfließen, schien ungebrochen. Besonders von seiten des Gesundheitsamtes werde auf Verstetigung, möglichst auch Ausbau der bestehenden Selbsthilfestruktur gesetzt, betonte Dopatka. Defizite würden bisher nur in regionaler Hinsicht bestehen.

Gerade am Beispiel Bremerhavens zeige sich, daß der Beratungs-und Betreuungsbedarf von Menschen, die mit den auch sozialen Folgen chronischer Krankheiten fertigwerden müßten, längst nicht gedeckt sei. Als Anregung aus dem Publikum schickte ein Vertreter der Rückenkranken den Experten mit auf den Weg, doch umgekehrt die finanzielle und sonstige Förderung doch schon im Vorfeld, bei der gezielten Aufbauarbeit von entsprechenden Selbsthilfegruppen, anzusetzen.

Die Krankenkassen wurden aufgefordert, sich verstärkt an den gesundheitspolitisch immer wichtiger werdenden Angeboten der selbstorganisierten Gruppen zu beteiligen. Eine Netzwerk -Umfrage hatte nur von der Rheumaliga eine positive Rückmeldung über finanzielle Unterstützung durch die Kassen ergeben. AOK-Vertreter Müsegast widersprach zwar vehement und nannte Diabetis, Morbus Bechterew und CF-Gruppen, die aus AOK-Töpfen Zuschüsse erhielten. Betonte aber auch, daß die Bremer Kranken-und Ersatzkassen sich per Beschluß ausdrücklich nicht am Bremer Topf beteiligen wollen.

ra