KÜNSTLER KÜNSTELN DURCH

■ Auch wenn die Welt zusammenfällt...

Freitag in der Trabi-durchschwadeten Kochstraße, 28 Jahre haben wir auf diese Nachrichten gewartet:

„Ja, hier ist das Cafe Pieselpimpel. Wir eröffnen heute abend unsere Ausstellung mit Aquarellen der malenden Lehrerin Ilse Müller. Und da wollt‘ ich mal fragen, ob vielleicht jemand von der taz kommt. Das wär‘ doch irgendwie wichtig.“

„Wir hatten euch da schon mal eine Einladung für übernächste Woche geschickt für unsere neueste Theaterproduktion. Wir wollten da mal so ein Stück von Brecht machen. In Kreuzberg. Das muß doch die taz interessieren. Ihr mit eurem Anspruch. Kommt ihr denn übernächste Woche da hin?!... Wieso?... Warum wißt ihr das jetzt noch nicht?“

Das Telefon stand nicht still - die Kultur florierte. Einige Kulturschaffende waren sogar persönlich aus Charlottenburg rübergemacht, um uns ihre Werke zu präsentieren:

Ich wollt‘ euch mal meine Fotos zeigen, damit ihr mal was darüber macht. Das ist eine unheimlich wichtige Sache. Ne, die sind nicht aus der letzten Nacht, die sind schon vor fünf Jahren entstanden. Da wär's doch jetzt mal ganz dringend, daß ihr euch damit auseinandersetzt hier. Und außerdem ist das ein Frauenprojekt, dafür müßt ihr doch Zeit haben.

Aber auch die Regierung schläft ja in dieser historischen Stunde nicht. Viel quoll aus der Kulturverwaltung an diesem langen Tag durch das Telefax:

-Da hatte die in Atlanta weilende Kultursenatorin eilends nach Berlin gekabelt, daß das High Museum of Art in Atlanta und das dortige Goethe-Institut ein umfangreiches Programm zur kulturellen Geschichte Berlins veranstalten und daß dies „ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der kulturellen Kontakte Berlins mit dem Ausland“ sei.

Ferner ließ die Kulturverwaltung mitteilen, daß am 14.November eine Ausstellung mit Arbeiten Berliner Künstler in Ungarn eröffnet wird und daß die Senatorin den Brüder -Grimm-Preis des Landes Berlin zur Förderung des Kinder- und Jugendtheaters 1989 dem Schülerclub am Schauspiel Frankfurt a.M. für die Produktion Grindkopf vergibt, und zu guter letzt fand man es jetzt auch an der Zeit, zu der seit einer Woche tobenden Schlammschlacht um das nach Frankfurt abwandernde Filmarchiv von Arthur Brauner seinen Senf zuzugeben.

Das war die Kultur vom Wochenende.

Nirgends zu sehen waren: die hundertdreiundfünfzig Mauer -Performer, die sonst alle fünf Minuten eine hoch wichtige, schwer künstlerische und sowieso unheimlich spannende völkerverbindende Mauerperformance machen; die x Straßentheater, die immer total nah am wirklichen Leben sich einbringen; die ganzen Rock-Gruppen (inklusive Musikschulen), die sich immer darüber aufregen, daß alle außer ihnen so etabliert und unflexibel sind - hätte ja immerhin sein können, daß gerade kein Kulturgroßkritiker da gewesen wäre, der gleich einen Lobesartikel geschrieben hätte. Da hätte man ja ganz umsonst gespielt - ohje. Und während die Kultur-von-unten in ihren Löchern geblieben ist, stopften die Theater dieselben im Zuschauerraum mit Freiwilligen zur feierlichen Internationale der Schnarchkultur.

grr