Thon gab wieder einmal den Ton an

Die bisherigen Folgen unseres Schreibkurses könnten den Eindruck erwecken, die Sprache im Sportjournalismus sei durchgängig standardisiert. Völlig unrichtig ist das nicht, doch die wahre Meisterschaft zeigt sich gerade in der Mischung gängiger und kreativer Elemente: Der Phantasie sind in diesem Metier keine Grenzen gesetzt. Schablonen sind lediglich Krücken, Gehhilfen, die abzuwerfen sehr viel Glücksgefühl bescheren kann. Auch wer glaubt, zum Schreiben geboren zu sein, muß sich also von diesem schönen Beuf nicht abwenden. SERIE TEIL VI: Von Herrn Thömmes  ■  Das Spiel mit Namen und Gänsefüßchen

Menschen haben Namen, eine Fügung, die wir uns gern zunutze machen. Geradezu beispielhaft ist dazu noch immer ein Satz des Torhüters Sepp Maier („Katze von Anzing“) über seinen Stellvertreter bei Bayern München: „Der Junghans wird bei uns zum Althans.“ Die Botschaft der Nr.1 („bin i Radi, bin i Depp, König ist der Maier Sepp“) durch das Vertauschen eines Teils im Namen (hier: jung mit alt) seines Kontrahenten wird unmittelbar verständlich: Mir kann keiner, dieser Knabe wird auf der Ersatzbank versauern.

Entgegenkommend auch der Name von Steffi Graf, die wir Scheiß auf den Gothaer Adelskalender - je nach Erfolg zur Gräfin, Königin oder Kaiserin von Paris oder Key Biscane küren. Bei ihrem diesjährigen Start des Wimbledonturniers bot sich dann eine zauberhafte Gelegenheit, die sich kein Reporter entgehen lassen konnte. 'dpa‘ zum Beispiel: „Zu einem feinen Menü gehört eine entsprechende Vorspeise. Steffi Graf wird bestens bedient - sie beginnt ihr Wimbledondinner mit sieben Gängen standesgemäß mit Lachs. Ihre erste Gegnerin ist Julie Salmon, und Salmon heißt zu deutsch Lachs.“ Hier vermengt sich nachgerade ideal das Spiel mit dem Namen Salmon und die sogenannte „Menüvariante“, die in Teil II unserer Serie vorgestellt wurde. Nach dem Sieg Grafs sponnen die englischen Blätter 'Daily Express‘ („Steffi filetierte Julie Salmon“) und 'Today‘ („Salmon ging Steffi ins Netz“) den Faden weiter, der auch bei einem „leicht verdaulichen Lachshäppchen“ (Niederlage: liegt schwer im Magen) hätte enden können.

Solche Assoziationen verlangen ausgeprägtes Fingerspitzengefühl. Zu den eher tumberen Versuchen zählen Textpartikel wie „der Thon machte die Musik“ oder gar, holzhammerartig: „Thon gab wieder einmal den Ton an.“ Ähnlich schlapp: „Arie Haan ist in Stuttgart der Hahn im Korb.“

Wir sehen: Ob nun die Aktionen des Münchner Mittelfeldspielers Flick zum „Flickwerk“ werden, der Mannheimer „Lux wie ein alter Fuchs“ spielt, Frankfurts Trainer Berger „auf seine Spieler Stein und Bein schwört“, Schafstalls Abwehr „aufgeregt wie ein Hühnerhaufen“ durcheinanderflattert, Journalisten kann beim Jonglieren mit Worten leicht auch eines auf die eigenen Zehen fallen (schöne, bildhafte Sprache in Abwandlung des Sprichworts „Der Stein, den sie erhoben, wird ihnen auf die eigenen Füße fallen“).

Die ausgelassene Chance: Im Kommentar der Zeitung 'Sport im Revier‘ (2.10.) über die Funktionäre von Borussia Dortmund erscheint nach der hübschen Kette „schmorender Festtagsbraten... auf ihre eigene Kochmütze nehmen... unkontrollierte Feuer... stehen in keinem Rezeptbuch... ihr Süppchen auf Sparflamme weiterkochen“ im Text plötzlich „der avisierte Nachfolger Werner Wirsing“. Und was macht der Kollege? Haut er den Kohl in die Pfanne? Dreht er ihn durch den Wolf? Wird der Wirsing zum jungen Gemüse? Die Wahrheit ist schlimm: “...ein Mann, der den großen Feuerlöscher bevorzugt.“ - Gelbe Karte, mindestens.

Elegant, ja geradezu graziös (nicht weil es in der taz stand), was der Trainer Friedhelm Ferner einmal seiner Schalker Mannschaft abverlangte: „die Jungs unter ferner liefen“. Dafür zahlt die Redaktion Top-Zuschlag. So einfach kann

Maier, Sepp, Depp

Graf, kriegt alle Titel

Lachs (Salmon), wird verputzt

Thon, macht Musik

Thon, gibt Ton an

Haan, ist Hahn im Korb

Wirsing, mag Feuerlöscher

ferner, nur unter ihm laufen die Jungs

„ “, sind immer echt originell Schreiben sein

-------------------- Ja, ich will Sportreporter/orterin werden. Bitte schicken Sie mir nach Ende der Serie die komplette Liste mit allen wichtigen Formulierungen der Sportsprache. 90 Pfennig plus zweimal 15 Pfennig Verlängerungsporto lege ich als Sporthilfe-Sondermarken bei.

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