S I C H T V E R M E R K

■ Lila Pause im kalten Krieg

Das Haus am Checkpoint Charlie reagierte schnell und hängte folgendes Plakat in die Fenster: „Hier wurde gegen die Mauer gekämpft. Jetzt ist es ein Mauer-Museum. Hier wird die Nachkriegsgeschichte Berlins gezeigt. Jetzt wird ergänzt: Jeder Schritt auf dem Weg zur Einheit Europas. Hier werden Prinzipien und Methoden des gewaltfreien Kampfes gezeigt. Jetzt wird ergänzt: Die friedliche Revolution vom November 1989.“

Zum Heim- und voraussichtlichen Trauerspiel Blau Weiß - SV Meppen heute abend um 20 Uhr im Olympiastadion haben Ost -Bürger gegen Vorlage des Perso oder Passes umsonst Eintritt.

1.000.000 Westmark hat sich Kaisers Kaffee das sonntägliche Unters-Ostvolk-Werfen von Gratisschokolade und -kaffee auf dem Breitscheidplatz nach eigenen Angaben kosten lassen. Portokasse.

Auch VoPos dürfen laut 'adn‘ die neue Reiseregelung nutzen.

Kunze, Kunert, Klier, usw. - Biermanns Wolf nicht zu vergessen - sollen wieder rüber dürfen. Das fordert der kulturpolitische Sprecher der Berliner, CDU Lehmann-Brauns. Typisch: Kultursenatorin Martiny (SPD), die irgendwo in USA eine Ausstellung eröffnet, kann nun trotz heftig wehendem Geschichtstrench gar nichts fordern.

Angst vor der rhetorischen Überlegenheit von REP-Chef Schönhuber hatten, wie die REP-Fraktion meint, der Regierende Bürgermeister Momper und CDU-Oppositionsführer Diepgen. Angeblich sollen Momper und Diepgen bei der BBC London darauf gedrungen haben, den REP-Vorsitzenden Schönhuber aus einer geplanten Live-Round-Table-Diskussion wieder auszuladen.

35 Millionen Mark Begrüßungsgeld sind seit der Grenzöffnung in Berlin an DDR-Bürger ausgezahlt worden. Dies teilte die Sozialverwaltung mit. Am Wochenende hatten Banken, Sparkassen, Postämter und Bezirksämter geöffnet, um das Begrüßungsgeld in Höhe von kalenderjährlich einhundert Mark pro Nase auszuzahlen.

Verstopfte Transitwege und überfüllte Züge brachten den Airlines endlich Auslastung. Viele Fluggesellschaften setzten Sondermaschinen ein. Das Deutsche Reisebüro (DER) registrierte „extrem starke Buchung“. Für die nächsten zwei Wochen seien in der Touristenklasse kaum noch freie Plätze zu bekommen.

Auto muß sein, meinte ein DDR-Ehepaar mit West-Citroen gestern in der Kochstraße: „Mit dem Auto durch den Checkpoint Charlie fahren ist wie am Brandenburger Tor über die Mauer klettern.“

Ansonsten hört der Osten weitgehend auf Momper, der den öffentlichen Nahverkehr empfohlen hat. Laut einer Blitzumfrage unter 1.000 Ostlern, die das Befragungsinstitut Rönnau & Partner am Sonntag durchführte, reisten 27,4 Prozent per PKW ein, 72,6 Prozent kamen mit S- und U-Bahn, Pedes oder Fahrrad. Aus Ost-Berlin reisten 35 Prozent ein, aus anderen DDR-Orten 65 Prozent. Das Institut ermittelte auch die Altersstruktur. Danach waren 32 Prozent 18-29 Jahre alt, 42 Prozent 30-49 Jahre und 25 Prozent 50 und älter.

Ein Trabi-Nottelefon will die KFZ-Innung am nächsten Wochenende einrichten. Bereits in den vergangenen Tagen haben zahlreiche Werkstätten einen Notservice angeboten. Bei Tankstellen und Werkstätten wurden gezielt Keilriemen, Zündkerzen und Motoröl gekauft - drüben Mangelware. Noch begehrter waren Rallyestreifen und Spoilerschnickschnack.

Bärbel Bohley erhält Karl-Hofer-Preis 1989.Die Ostberliner Malerin und Mitinitiatorin des Neuen Forums erhält heute in der Hochschule der Künste in den mit 10.000 Mark dotierten Karl-Hofer-Preis 1989, der für künstlerisch -wissenschaftliche Beiträge zur Gestaltung der Gesellschaft verliehen wird. Frau Bohley wird damit, wie die HdK mitteilte, für ihre „beispielhaft gesellschaftsformende Arbeit im Spannungsfeld von Kunst und Politik“ geehrt. Mit der Preisverleihung soll insbesondere darauf hingewiesen werden, daß Bärbel Bohley seit 1983 wegen ihrer politischen Arbeit als Künstlerin in der DDR diskriminiert worden sei. Sie war aus Gremien des Verbandes Bildender Künstler der DDR ausgeschlossen worden.

taz