„Kooperation mit der DDR bedeutet Kapitalbeteiligung“

■ FDP-Chef Lambsdorff nennt Bedingungen für Kapitalhilfe / Bonn bereitet Ost-Berlin-Reise von Kanzleramtsminister Seiters vor / SPD hält an „rundem Tisch“ fest

Bonn (taz) - Eine Runde von Staatssekretären aus verschiedenen Ministerien bereitet die Reise von Kanzleramtschef Seiters nach Ost-Berlin vor. Die Bundesregierung behauptet, grundsätzlich umfangreiche Hilfe an die DDR leisten zu wollen. An der Begrüßungsgeldregelung soll sich nichts ändern. Kaum mehr als dies teilte Regierungssprecher Schäfer gestern in Bonn auf einer Pressekonferenz zu Fragen nach der weiteren Gangart gegenüber der DDR mit. Wie und unter welchen Umständen geholfen werden soll, scheint noch unklar zu sein: „Die Bundesregierung ist auf die Lage vorbereitet.“ „Die Bundesregierung ist an allem interessiert, was den Menschen und den Reformen in der DDR dient“ - konkreter konnte Sprecher Schäfer nicht werden.

Recht konkret war allerdings der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff im Anschluß an die Sitzung des Präsidiums seiner Partei: Kooperation mit der DDR bedeute Kapitalbeteiligung. Kapitalbeteiligung eines Privaten setze voraus, daß dieser Eigentumsrechte daran erwerben könne. Das hieße die Aufgabe des staatlichen Anspruchs auf die Produktionsmittel. Von einem „runden Tisch“, an dem sich Parteien, Gewerkschaften, Verbände und Kirchen zur Bewältigung deutsch-deutscher Probleme zusammensetzen, hält der Graf nichts: Der runde Tisch in der Bundesrepublik sei das Parlament.

Die Sozialdemokraten haben ihrerseits ihre Forderung nach einem „runden Tisch“ bekräftigt. Es sei „bedrückend“, daß Bundeskanzler Kohl diesen Vorschlag brüsk zurückgewiesen und zugleich den Regierenden Bürgermeister von Berlin Walter Momper „in beleidigender Weise angegriffen“ habe, erklärte das SPD-Präsidium.

Für baldige freie Wahlen in der DDR hat sich der SPD -Ehrenvorsitzende Willy Brandt ausgesprochen. Er glaube, daß „nicht zu viele Monate“ vergehen sollten, bis die Bürger der DDR ein neues Parlament wählen könnten, sagte Brandt in Bonn. Auf eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands angesprochen, räumte Brandt ein, daß er Probleme mit dem Wort „wieder“ habe. Er sei nach den jüngsten Entwicklungen noch mehr davon überzeugt, daß nichts wieder so sein könne, wie es einmal war. Dies gelte vor allem für eine Rückkehr zu früheren „staatlichen Organisationen auf deutschem Boden“.

Auch auf den Perspektiven-Kongreß der Grünen am kommenden Wochenende wirkt sich die aktuelle Lage in der DDR aus: Anstelle „Ökologische Vision und Industriegesellschaft“ wird schon das Thema des Auftaktplenums die DDR sein. Teilnehmen werden auch VertreterInnen der Demokratiebewegung. Wie weit das gesamte Programm geändert wird, gibt der Bundesvorstand heute bekannt.

ff