Absurd-betr.: Leserbrief "Mehrheit weggelassen" zum "Aufruf für türkische Flüchtlinge", taz vom 3.11.89

betr.: Leserbrief „Mehrheit weggelassen“ von Hans Uthecht zum „Aufruf für türkische Flüchtlinge“, taz vom 3.11.89

Nach Vorstellung des taz-Lesers darf über kollektiv verfolgte christlich-assyrische und yezidische Flüchtlinge aus der Türkei nur berichtet werden, wenn das im Zusammenhang mit der „großen Mehrheit der verfolgten Kurden und Türken“ geschieht. Das Problem ist nur, daß beide Minderheitengruppen kollektiv verfolgt werden, in ihrer großen Mehrheit die Türkei verlassen haben und zu ihren Verfolgern neben türkischen Behörden zahlreiche türkische und kurdische Moslems gehören. Darauf wird man doch hinweisen dürfen, auch wenn viele Türken und Kurden als Nation mit ihrer Sprache und Kultur selber verfolgt werden, wogegen unsere Menschenrechtsorganisation ohnehin ständig protestiert. Die Argumentation von Uthecht, die nationale Minderheiten jeweils dem Staatsgebiet, in diesem Fall der Türkei, unterwirft, ist ohnehin absurd. Wir dürften also nicht mehr speziell gegen die Verfolgung der Roma in Hamburg agitieren oder für Indianer in den USA eintreten, sondern müßten die jeweils bedrohten Angehörigen des Staatsvolkes miteinschließen. Reden über Minderheiten soll also einer Organisation verboten werden, die gegründet wurde, um für Minderheiten einzutreten.

Tilman Zülch, Bundesvorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen